Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist
Autoren: K Wolf
Vom Netzwerk:
Raum. Er sieht sauer aus.
    „Also, das mit dem Sprengstoff geht nicht.“
    „Schon klar“, gibt Wolf nach, „ich dachte ja nur …“
    „Ich muss wieder auf Yogi aufpassen. Mann ich sag dir. Es steht mir bis hier!“
    Siehst du. Er ist ihm sowieso im Weg. Du befreist Siggi nur von einem Klotz am Bein.
    „Aber ich brauch dich spätestens um zehn im Steinbruch. Das Gottesurteil. Wenn du nicht kommst, denken alle, du kneifst.“
    Dadurch wird Siggis Wut nur noch größer. Er und kneifen. Ausgerechnet.
    „Meine Eltern müssen zu irgendeinem beschissenen Angehörigenabend. Alles immer nur wegen Yogi.“
    Seine Eltern werden auch erleichtert sein. Klar trauern sie zunächst, und zugeben werden sie es auch nie, aber insgeheim werden sie erleichtert sein.
    Wolf geht zur Tür. „Kommst du, oder nicht?“
    „Klar komm ich.“
    „Aber allein.“
    Siggi druckst rum. „Hm. Ja. Gut. Ich schließ ihn noch mal ein. Vielleicht schläft er ja bis dann.“
    „Tu ihm doch was in den Tee.“
    Siggi antwortet darauf nicht.
    „Ich bin um zehn da.“
    „Wenn es geht, früher. Ich gehe jetzt zu Dieter ins Krankenhaus. Dann, spätestens ab neun, bin ich im Steinbruch und bereite alles vor.“
    „Wo willst du damit hin?“, fragt Siggi und zeigt auf die Plastiktüten. Er fühlt sich ein wenig schuldig und kleinkariert, weil er die Sprengladungen nicht im Haus haben will.
    Wolf grinst als Antwort nur geheimnisvoll.
    Siggi ahnt es. Er lässt sie im Krankenhaus bei Dieter. Dort wird sie niemand vermuten. Erst kurz vor dem Anschlag am Samstag wird einer das Zeug dort abholen.

66
    Am Elternabend der Selbsthilfegruppe nimmt ein Neuer teil, ein Mann, der gerade seine Frau verloren hat und jetzt mit seiner querschnittsgelähmten Tochter alleine leben muss. Er zieht viel Aufmerksamkeit auf sich. Menschen, die selbst viel geweint haben, sind oft sehr mitleidsfähig.
    Er scheint süchtig danach zu sein. Schmidtmüller hat das Gefühl, dass dieser Mann sie alle leer saugt. Für ihn selbst bleibt keine Zeit. Nur einmal raunt Petra Freitag ihm zu, sie müsse ihn nachher einmal sprechen.
    Sie wirkt auf merkwürdige Art schuldbewusst dabei, als hätte sie draußen beim Einparken seinen Wagen gerammt und müsse gleich den Versicherungsschaden melden.
    Zwischen ihr und seiner Frau ein komplizenhafter Blick, den er nicht versteht. Um so deutlicher nimmt er ihn zur Kenntnis.
    Die beiden verbergen etwas vor ihm. Etwas, das mit Johannes zu tun hat.

67
    Siggi hat Yogi keine Schlaftablette gegeben, aber ihn ins Bett gelegt, damit er einschläft.
    Es ist kurz vor neun. Siggi guckt Fußball. Yogi möchte gern mitgucken, aber Siggi lässt ihn nicht.
    Das Spiel ist langweilig. Siggi schaltet aus. Er zieht sich schon mal an. Volle Montur. Kriegskleidung.
    Dann sieht er nach Yogi. Vielleicht schläft er ja schon.
    Yogi sitzt auf dem Bett. Er ist ganz in ein Spiel versunken. Er hat seine schönste Puppe, genannt Mama, erwürgt. Ihr Kopf ist ab. Der anderen Puppe, genannt Papa, schneidet er die Haare ab.
    Stumm steht Siggi in der Tür und begreift mit einem Schlag alles. Nicht Wolf hat Yogi beobachtet, sondern Yogi Wolf.
    Du Schwein. Du Schwein. Du hast meine Schwester umgebracht und mir erzählt, es sei mein Bruder gewesen. Du …
    Siggi nimmt seinen Baseballschläger und rennt aus dem Haus. Er weiß, wo er Wolf findet.

68
    Vera Bilewski genießt es, allein zu sein. Ihr Mann muss, um im Geschäft zu bleiben, bei allen möglichen Vereinsmeiereien mitmachen. Für die Vereinsmitglieder ist es fast Ehrensache, sich bei ihm zu versichern, sobald er ein anerkanntes Vorstandsmitglied ist. Früher war er in fünfzehn Vereinen aktiv. Heute nur noch in acht.
    Vera wollte sich eigentlich ein Tarot legen. Aber als sie die erste Karte zog, verlor sie die Lust. The hanged man. Der Gehängte.
    Vera Bilewski schaut nicht mit den Karten in die Zukunft. Sie benutzt sie als Spiegel ihrer Seele. Als Auseinandersetzung mit sich selbst. Als Reflexionshilfe. Andere machen eine Psychotherapie. Vera kommt mit Hilfe des Tarots zu manchmal verblüffenden Einsichten über sich selbst.
    Aber jetzt der Gehängte. Nein, damit hat sie im Moment nun wirklich nichts zu tun. Kopfüber festgenagelt empfindet sie sich nicht. Vielleicht ist das nicht der richtige Tag, um in die Tarotkarten zu blicken.
    Sie lässt sich Wasser in die Wanne und löst darin die Badeschaumkugeln auf, die sie zu Weihnachten bekommen hat.
    Sie taucht ganz unter. Ah, wie gut das tut! Sie spürt, wie sich unter Wasser
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher