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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist
Autoren: K Wolf
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langsam die Menschen hinter diesen hanebüchenen Thesen spürbar.
    Ich sah frustrierte Kinder, die von dieser Gesellschaft nur eine Botschaft wirklich glaubhaft gehört hatten: Wir brauchen euch nicht.
    Ich erlebte die großmäuligen Glatzköpfe plötzlich als Menschen, die verzweifelt ihren Platz in der Gesellschaft suchten, aber angeboten wurde ihnen nur Demütigung.
    Dem „Du bist nichts wert“ setzten sie ein trotziges „Wir machen euch alle platt“ entgegen.
    Ja, so sehr sie mich auch erschreckten, ich begann sie zu verstehen.
    Sie waren so sehr auf der Suche nach jemandem, der ihnen ihren Stolz zurückgeben konnte, dass sie bereit waren, dafür jeden Mist zu glauben.
    Ich trieb mich wochenlang auf ihren Partys herum, besuchte schreckliche Konzerte und versuchte ihnen näher zu kommen. Fast immer stieß ich auf einen unaufgelösten Vater-Sohn-Konflikt. Oft auf nicht vorhandene oder sehr schwache Väter.
    Ich begann, Jugendarbeitslosigkeit als Verbrechen an den Seelen Heranwachsender zu begreifen.
    Die Arbeit am Roman „Samstags, wenn Krieg ist“ ließ mich nicht mehr los.
    Damals fragte mich ein Redakteur vom SDR Stuttgart (heute SWR), ob ich für den Sender eine neue Polizeiruf-110-Reihe entwickeln könnte. Ich erzählte ihm, womit ich mich gerade beschäftigte. Es wurde ein sehr langes Gespräch. Er fing sofort Feuer und wollte immer mehr wissen.
    Ich zeigte ihm die ersten vierzig Seiten von meinem Roman. Inzwischen hatte ich dafür einen Vertrag und schrieb unter Hochdruck. Im Sender stieß meine Idee auf viel Gegenliebe. Ich wurde dramaturgisch hervorragend unterstützt und noch während ich schrieb, suchten wir einen Regisseur. Ein junger sollte es sein, altersmäßig nah dran an den Hauptfiguren, mit einem cineastischen Blick und viel Einfühlungsvermögen.
    Ich traf Roland Suso Richter und wir verstanden uns auf Anhieb. Später machten wir noch einen weiteren Film gemeinsam, „Svens Geheimnis“.
    Er schlug Heino Ferch als Wolf vor, Markus Knüfken als Siggi und Felix Eitner als behinderten Bruder Yogi.
    Ich wollte Angelica Domröse als Kommissarin. Meine Redakteure glaubten zunächst nicht daran, denn angeblich hatte Frau Domröse seit Jahren alle angebotenen Drehbücher abgelehnt und spielte nur noch in Wien Theater. Ich bat, ihr mein Drehbuch zu schicken. Sie war sofort mit von der Partie.
    Ich mochte ihre Zerbrechlichkeit. Wenn sie als Kommissarin Vera Bilewski die Waffe zog, kam mir die Pistole zu groß für sie vor. Ich glaubte nicht, dass sie in der Lage wäre, zu schießen. Die militante Körperlichkeit ihrer machohaften Gegenspieler kam so erst richtig zur Geltung. Nicht die Kommissarin bedrohte die Bande – die Bande bedrohte die Kommissarin.
    Später schrieb ich (gemeinsam mit Ulrich Bendele) noch zwei weitere Polizeiruf 110 mit Kommissarin Vera Bilewski in der Hauptrolle. „Kleine Dealer, große Träume“ und „Hetzjagd“.
    Buch und Film „Samstags, wenn Krieg ist“ hatten 1994 bei Presse und Publikum einen furiosen Start. Rasch waren zwei Hardcoverauflagen verkauft und 1995 erschien eine Taschenbuchausgabe.
    Bernhard Blees begleitete mich für den Südwestfunk drei Wochen lang auf meiner Tournee und drehte ein 45 Minuten langes Porträt über mich und meine Arbeit mit dem Buch.
    Ich hatte 180 Schul- und 35 Abendveranstaltungen in den ersten acht Wochen. Nur selten reichten die Stühle aus. Aber diese Lesereise war anders als frühere. Jetzt wurde mehr diskutiert und weniger vorgelesen. Lehrer, die in ihren Schulen Probleme mit Neonazigruppen hatten, luden mich gezielt ein. Ich lernte eine junge Lehrerin kennen, die frisch an der Schule, die „schlimmste Klasse“ bekam, in der man alle die Schüler versammelt hatte, die niemand mehr unterrichten wollte. Aus vielen abgeschobenen Problemfällen hatte man eine Alptraumklasse gebaut, die sich jedem pädagogischen Einfluss entzog.
    Die junge Lehrerin wurde von den Jungs höchstens als Sexualobjekt ernst genommen. Schulsport war, dafür zu sorgen, dass sie heulend aus der Klasse rannte, was regelmäßig zweimal pro Woche gelang. Natürlich zweifelte sie inzwischen an sich selbst, ihrer Berufswahl und dem Leben an sich.
    Ich kam in ihre Klasse. Ich fühlte mich wie ein Gladiator in der Arena. Spaß machte das nicht. Aber unbeeindruckt ließ mein Auftritt die Jugendlichen auch nicht.
    Ich erinnere mich an eine Lesung in einer kleinen Buchhandlung. Ein Bär von einem Mann stand auf, bei ihm seine zwei Köpfe kleinere Freundin. Er war
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