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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist
Autoren: K Wolf
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wenig Worte und sie sind gewohnt, dass der Sprachgewaltigste den Anspruch auf die Führung hat. In der Schule haben sie das gelernt. Wer redet mehr als der Lehrer? Er darf strafen und belohnen.
    „Lass uns einen saufen. Wir haben echt andere Sorgen. Das Gottesurteil muss vorberei…“
    Wo guckt Siggi hin? Er ist unaufmerksam geworden.
    Ein paar Meter über ihnen steht Yogi. Er ruft: „Iggi! Iggi!“
    Er hat etwas in der Hand. Er wirft es hoch wie einen Ball.
    „Yogi! Hau ab! Geh nach Hause zu Mama!“
    Von Rand der Ortschaft kommen zwei Autos mit Blaulicht. Yogi steht hoch genug, um sie zu sehen. Das Spielzeug fällt hin.
    „Nein!“, kreischt Wolf und rennt weg.
    „Häh?“
    Siggi kapiert nicht. Einen Moment ist er hin- und hergerissen. Soll er Wolf folgen? Er hat irgendeine Schweinerei gemacht. Oder zu Yogi?
    Eine Detonation mit gleichzeitiger Druckwelle lässt Siggi durch die Luft fliegen und bläst das Feuer aus. Siggi knallt mit Bauch und Knien auf. Als es ihm gelingt, den Kopf zu heben, ist das Feuer aus. Nur glühendes Holz liegt quer über den Platz verteilt herum.
    Siggi hört Yogis Wimmern.
    „Yogi! Yogi! Wo bist du?“
    „Iggi!“
    Siggi kraucht hin. Da sieht er Wolf. Er steht zwischen Siggi und Yogi. Er guckt in Siggis Richtung. Den Hammer in der Hand.
    „Was hast du mit meinem Bruder gemacht, du Schwein?“, keift Siggi.
    „Er muss weg. Er ist eine Gefahr für uns alle!“
    „Reicht es immer noch nicht? Erst meine Schwester und jetzt … Ich mach dich fertig, du Sau!“
    Wolf hebt seinen schweren Hammer mit beiden Händen.
    „Neein!“
    Autoscheinwerfer zerteilen am Rand des Steinbruchs die Dunkelheit. Blaulicht.
    Jemand richtet die Scheinwerfer direkt auf Siggi und Wolf.
    Irritiert haut Wolf zu. Siggi rollt sich zur Seite und reißt den gesunden Arm hoch. Der Schlag galt seinem Kopf, trifft aber nur den Rücken der rechten Hand.
    „Halt! Polizei! Lassen Sie das fallen! Hände hoch und …“
    Vera Bilewski kann sich auf dem Geröll nicht länger halten. Sie rutscht ab.
    Eine Taschenlampe leuchtet auf. Einer ihrer Kollegen hat sie genau im Lichtkegel. Er wird diesen Anblick nie vergessen. Der Bademantel flattert offen um Vera herum. Ihre Beine strampeln in der Luft. Sie liegt hilflos auf dem Rücken, wie ein umgekipptes Insekt, das am Fliegenfänger klebt.
    Siggi versucht, hochzukommen, Er kniet. Jetzt holt Wolf zum entscheidenden Schlag aus. Siggi spürt es in allen Fasern seines Körpers. Er wird das nicht überleben.
    „Iggiiiiiih!“
    Ein Schuss peitscht durch die Nacht und hallt von den Wänden des Steinbruchs wider.
    Für einen Moment weiß Siggi weder, wer geschossen hat, noch wer getroffen wurde. Er selber?
    Dann taumelt Wolf vor ihm. Der Hammer fällt nach hinten. Wolf macht zwei Schritte und fällt dann um wie ein Brett.
    „Mein Bruder! Da vorne liegt mein Bruder! Sie müssen ihm helfen!“, schreit Siggi. „Schnell!“

76
    Yogi wird auf einer Trage in den Krankenwagen geschoben. Siggi steht dabei. Er weint.
    Yogis Kopf ist so komisch zur Seite gedreht. Atmet er überhaupt?
    Ich habe Schuld. Ich. An allem. Yogis Unfall. Seine Behinderung. Renates Tod. Das Unglück meiner Eltern. Und jetzt stirbt Yogi. Ich bin Scheiße. Ich bin Dreck. Ich bin Abfall.
    Da hinten, zwischen den Polizeiwagen, sieht Siggi seine Eltern ankommen. Er möchte sie jetzt in die Arme nehmen. Beide. Und ihnen sagen, dass er sie liebt. Aber er hat Angst, dass die Umarmung nicht echt wird. Einen wie ihn, den kann man nicht wirklich lieben. Abschaum. Sondermüll. Scheißdreck.
    Wahrscheinlich tut es dir leid, dass du mich nicht auf die Bettdecke gespritzt hast, sondern in die Scheide meiner Mutter.
    „Was ist mit Yogi?“, brüllt Siggi. „Lebt er? Wird er überleben?“
    „Ja, ganz sicher“, sagt der Sanitäter. „Er hat sich einige Knochen gebrochen. Aber daran stirbt man nicht.“
    Es ist für Siggi, als würde er mit der Luft ein unbekanntes Glücksgefühl einatmen.
    Seine Eltern kommen näher. Er sieht, wie sehr seine Mutter zittert. Der Vater stützt sie.
    Siggi traut sich nicht, ihnen in die Augen zu sehen. Er guckt auf seine Füße.
    „Iggi?“, haucht Yogi, laut genug, dass Siggi es hört.
    „Ja, Kleiner. Ich bin da. Ich bin bei dir. Es wird alles gut.“

77
    Vera Bilewski hockt auf dem Beifahrersitz. Die Tür des Polizeiwagens steht offen. Sie raucht eine Zigarette, die ihr Schütz angezündet hat. Ihr wird schwindlig davon.
    Vera schließt die Augen ganz fest, bis helle Punkte in der
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