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Al Wheeler und die Malerin

Al Wheeler und die Malerin

Titel: Al Wheeler und die Malerin
Autoren: Carter Brown
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ERSTES KAPITEL
     
    A ls wir schließlich die drei
Treppen hinter uns hatten, keuchte Sergeant Polnik mächtig. Er blieb einen Augenblick lang stehen, um sich auszuruhen, und blickte
mich erbittert an.
    »Lieutenant«, krächzte er, »das
hier ist eine nette ruhige Gegend, nicht wahr ?«
    »Es hat den Anschein«,
bestätigte ich.
    »Und das hier ist ein nettes
ruhiges Appartement, stimmt’s ?«
    »Sie haben einen scharfen Blick
für solche Dinge, Sergeant«, sagte ich im Tone der Bewunderung. »Das Quietschen
einer Maus würde hier wie das Gebrüll eines Löwen in der Paarungszeit klingen .«
    »Es muß also eine Verrückte
gewesen sein, die angerufen und einen Mord gemeldet hat«, brummte er. »Warum
rufen die Leute nicht mal gelegentlich die Feuerwehr und lassen einem ehrlichen
Polizeibeamten seinen Nachtschlaf ?«
    »Wenn wir schon hier sind,
können wir ebensogut nachsehen«, schlug ich sanft
vor. »Wer weiß? Vielleicht kriegen wir sogar ein Glas selbstgemachter Limonade
angeboten ?«
    Auf dem obersten Stock gab es
nur zwei Appartements, von irgendeinem Romantiker mit den Schildern vier A und
vier B ausgezeichnet. Ich trat auf vier B zu und drückte auf den Summer,
während
    Polnik mit protestierendem Keuchen
hinter mir her stolperte.
    »Ein Verrückter«, sagte er, in
aggressivem Ton zu seinem Thema zurückkehrend. »Das war irgendeine alte kleine
Lady, der die Wanzen im Kopf herumkrabbeln; und wenn eine aus Versehen über
einen Schaltknopf stolpert, dann...«
    Er hielt plötzlich inne. Sein
Unterkiefer sank herab, und ein Ausdruck sündiger Ekstase breitete sich langsam
auf seinem affenartigen Gesicht aus. » Jeeses !« Er
schluckte krampfhaft und gefühlvoll.
    Ich folgte der Richtung seines
glasigen Blicks und sah, daß sich die Tür des Appartements geöffnet hatte und
uns seine Bewohnerin mit mildem Interesse in den blauschwarzen Augen
betrachtete. Sie war dunkelhaarig und sah aus wie eine Wassernymphe. Ihr Haar
war von einer Seebrise leichtfertig zu zwei langen
Zöpfen geflochten worden, die zuerst das vollkommene Oval ihres Gesichts
umrahmten und dann mit gelassener Selbstsicherheit über ihre Schultern
hinabfielen.
    Sie trug einen weißen
Seidenkittel, der bis zur Mitte ihrer Oberschenkel reichte und den kühnen
Schwung ihrer Brust und der kräftigen Hüften, unter Beachtung aller
Einzelheiten, betonte. Die Vorderfront war reichlich mit Farbe bekleckst, und
auf der Spitze ihrer Stupsnase saß ein purpurroter Fleck.
    »Miss Bertrand ?« fragte ich mit zögernder Stimme.
    »Bella Bertrand«, sagte sie.
Ihre Stimme hatte das weiche, verführerische Timbre einer sanft gegen den
goldenen Sandstrand irgendeines tropischen Inselparadieses schlagenden
Meeresflut.
    »Ich bin Lieutenant Wheeler vom
Büro des County-Sheriffs«, erklärte ich. »Und das ist Sergeant Polnik .«
    »Hallo!« Sie lächelte Polnik strahlend an, und sein Adamsapfel machte einen
plötzlichen Sprung. »Sie kommen wahrscheinlich wegen des Mordes ?«
    »Es ist eine schmutzige Weise,
sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen«, gab ich zu, »aber jemand muß sich ja
der Leichen annehmen. Nicht wahr?«
    »Wollen Sie nicht hereinkommen ?«
    Bella Bertrand drehte sich um
und ging in ihr Appartement zurück, und dabei bemerkte ich, daß der Kittel
seitlich geschlitzt war und für einen kurzen Augenblick eine verblüffende
Strecke sonngebräunten Oberschenkels entblößte. Wenn sie eine Verrückte war,
dachte ich beglückt, dann war sie jedenfalls von der Sorte, die mir sympathisch
war.
    Das Appartement bestand aus
einem Atelier — einem riesigen Raum, dessen Decke zum größten Teil aus dem
Nachthimmel bestand, und zwei Türen. Sie führten, wie ich vermutete, zum
Badezimmer und in die Küche. Im gesamten Raum verstreut waren etwa dreißig
Bilder, einige hingen an den Wänden, andere lehnten dagegen, manche lagen auf
dem Boden. Eins hatten alle gemeinsam: Auf jedem war eine Orchidee dargestellt;
und ein flüchtiger Blick überzeugte mich, daß es jedesmal dieselbe Orchidee war. In der Mitte des Raumes stand auf einer Staffelei ein
nahezu vollendetes Gemälde, und es war wieder dieselbe verdammte Orchidee.
    »He!« Polnik warf ihr einen albernen Blick der Anerkennung zu. »Sie sind wohl Künstlerin,
was ?«
    »Eines Tages werde ich
hoffentlich eine Künstlerin sein«, erwiderte sie ernsthaft. »Es dauert lange .«
    »Ich sehe nirgendwo eine
Leiche, Miss Bertrand«, sagte ich sanft. »Ich spiele nur ungern den
Spielverderber, aber Sie haben doch im
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