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Samstags, wenn Krieg ist

Samstags, wenn Krieg ist

Titel: Samstags, wenn Krieg ist
Autoren: K Wolf
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alle kaputt. Dich, deine Eltern …“
    „Das stimmt nicht.“
    „Oh doch. Und du weißt es genau. Tausendmal hast du es mir erzählt.“
    Siggi hält den Schläger schräg über seine Schulter. So hat er die größte Wucht, wenn er zuhaut, glaubt er. Aber für Wolf ist er so auch berechenbar. Der Schlag muss von oben kommen.
    Siggi zittert vor Erregung.
    „W…warum hast du sie umgebracht?“, will er wissen. Er hofft noch immer auf ein Geständnis. Dann wäre jeder Zweifel ausgeräumt. Alles wäre leichter. Siggi versucht zu verstehen, was passiert ist. Aber Wolf nutzt den Hauch von Zweifel, den er aus der Frage heraushört.
    „Was immer dir die Bullen erzählt haben, sie lügen. Sie wollen mir etwas anhängen, weil sie unserer nationalen Sache schaden wollen. Mensch, Siggi. Die haben uns beschattet. Die Telefone abgehört. Alles. Aber sie können uns nichts. Weil wir zu clever sind. Jetzt versuchen sie, uns etwas anzuhängen. Am besten einen Mord.“
    Siggi lässt den Baseballschläger ein kleines Stück sinken. Er hält ihn noch schlagbereit, doch längst nicht mehr so entschlossen wie gerade. Seine Lippen werden nass. Er schmeckt seine Tränen. So erfährt er, dass er weint.
    „Die Bullen haben mir nichts erzählt. Ich weiß es von Yogi.“
    Wolf lacht höhnisch. „Ja. Klar. Er hat es dir erzählt. Wie denn?“ Er äfft Yogi nach. „Iggi. Ogi. Olfi Ate Aua-Aua macht.“

72
    Vera Bilewski bremst direkt vor dem Haus der Schmidtmüllers. Sie sieht schon von außen, dass etwas nicht stimmt. Die Tür steht offen. Im Haus brennt Licht, aber es sieht merkwürdig leer aus. Fluchtartig verlassen.
    Vera parkt ein und rafft ihren Bademantel zusammen. Das Gewicht der Pistole bringt den Frotteestoff aus der Fassung. Rechts hängt der Mantel. Links wird er kürzer. Vor ihrer Brust öffnet sich eine Sichtblase.
    Das Haus wirkt böse auf Vera. Unheilverkündend. Es ist ihr, als laufe sie auf das weit aufgerissene Maul eines Raubtieres zu. Am liebsten würde sie die Pistole mit beiden Händen vor sich halten, um dem Biest notfalls die Zähne aus dem Maul schießen zu können.
    Die Türen und Treppen, die verschlungenen Pfade ins Innere, kommen ihr vor wie Gedärme eines Verdauungstraktes. Es würde sie nicht wundern, wenn das Haus gleich rülpst. Die Fenster glotzen sie an wie hungrige Augen.
    Werd jetzt bloß nicht hysterisch. Du siehst sowieso schon völlig bescheuert aus. Im Bademantel. Was machst, du, wenn Herr Schmidtmüller mit seinen Freunden im Wohnzimmer Skat spielt? Vielleicht haben sie das Telefon nur überhört und die Tür steht versehentlich auf. Millionen Türen stehen jeden Tag offen. Das verkündet kein Unheil. Das ist das Leben.
    Sie springt herein. Drückt sich gegen die Flurwand. Lauscht.
    Ruhe. Verdächtige Ruhe. Warum rauscht keine Klospülung? Warum brummt kein Kühlschrank?
    Sie nimmt die Waffe in beide Hände und stürmt das Wohnzimmer, wie sie es gelernt hat: Schussbereit.
    „Hallo? Ist hier jemand? Hallo!“
    Nichts. Keine Reaktion. Nur diese bedruckende Stille.

73
    Yogi will mit Siggi spielen. Stolz trägt er sein neues Spielzeug. Es tickt. Ein lustiger Wecker mit Stangen daran. Zuckerstangen. Lakritzlutscher. Brausepulver.
    „Iggi! Iggi!“
    Yogi läuft durch die Nacht. Er achtet nicht auf Autos. Autos können bremsen und im Moment kommen sie in seiner Welt nicht vor. Es gibt nur Siggi, ihn und das neue Spielzeug.
    Vielleicht ist es ein neues Auto für die Rennbahn? Manchmal baut Siggi mit ihm im Wohnzimmer eine Acht auf. Dann fahren sie Rennen zwischen Sesseln aus. Brumm. Brumm. Yogi liebt es, wenn die Autos aus der Kurve fliegen. Teppichunfälle. Wohnzimmercrash. Das hier ist ein Rennlastwagen. Jawohl.
    Yogi wirft ihn hoch und fängt ihn auf. Das kann Yogi gut: Schnappen. Hoch und Plumps. Hoch und Plumps. Weltraumflieger. Luftballon. Bumerang. Fußball. Tor!
    Yogi läuft jetzt über eine Wiese. Er ist barfuß. Dann tritt er auf spitze Steine. Es macht ihm nichts. Er spürt so etwas nicht. Manchmal sieht er, dass er blutet, aber er fühlt den Schmerz nicht. Er erinnert sich daran, dass es wehtun müsste und dann wird er traurig und weint. Alle denken, es läge an seinem Schmerz, wollen pusten, heilen, Pflaster kleben. Aber das hilft ihm nicht. Nicht der Schmerz lässt ihn weinen, sondern der Verlust des Schmerzes.
    Yogi findet Siggi immer. Yogi ist ein Siggifinder. Yogi kennt alle Orte, wo Siggi sich versteckt. Die Kneipe. Wotan. Bier. Prost. Der Steinbruch. Bumm. Ja, der Steinbruch.
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