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Sagen von der Alhambra (German Edition)

Sagen von der Alhambra (German Edition)

Titel: Sagen von der Alhambra (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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sich bei dem Lichte der Laterne in einem anderen, mit arabischen Inschriften bedeckten Gewölbe. In der Mitte stand eine große Kiste, welche mit sieben Stahlbanden befestigt war, und an deren Enden zwei bezauberte Mauren in voller Rüstung, aber regungslos wie Statuen saßen, denn sie waren in der Gewalt des Bannes. Vor der Kiste standen mehrere mit Gold und Silber und Edelsteinen gefüllte Krüge. In den größten derselben steckten sie ihre Arme bis zum Ellbogen und holten sich mit jedem Griffe Hände voll breite gelbe Stücke maurischen Goldes, oder Spangen und Schmuck desselben kostbaren Metalls, wobei manchmal ein Halsband von orientalischen Perlen sich an ihre Finger hängte. Sie bebten und athmeten fieberhaft, während sie ihre Taschen mit der Beute füllten; und manchen furchtsamen Blick warfen sie auf die bezauberten Mauren, die bewegungslos und grimmig da saßen und sie mit starren Augen ansahen. Endlich faßte sie bei einem eingebildeten Geräusch ein panischer Schrecken, und sie stürzten Beide, einer über den andern stolpernd, die Treppe hinauf, in das obere Gemach, warfen die Wachskerze um und löschten sie aus und der Boden schloß sich wieder mit einem donnernden Schall.
    Von Furcht erfüllt, standen sie nicht eher still, als bis sie sich aus dem Thurme hinausgetastet hatten und die Sterne durch die Bäume glänzen sahen. Jetzt setzten sie sich auf das Grab und theilten den Fund, entschlossen, für jetzt mit dieser bloß oberflächlichen Untersuchung der Krüge sich zu begnügen, aber in einer der nächsten Nächte wieder zu kommen, und sie bis auf den Grund zu leeren. Damit einer des andern sicher wäre, theilten sie die Zaubermittel unter sich; der eine behielt die Rolle, der andere die Kerze; als dieß gethan war, brachen sie mit leichten Herzen und wohlgespickten Taschen nach Granada auf.
    Als sie den Hügel hinabstiegen, flüsterte der verschlagene Maure dem einfachen kleinen Wasserträger ein Wort guten Rathes zu.
    »Freund Peregil«, sagte er, »dieser ganze Handel muß ein tiefes Geheimniß bleiben, bis wir uns den ganzen Schatz zugeeignet und ihn in gute Verwahrung gebracht haben. Wenn der Alcalde auch nur eine Sylbe davon erfährt, sind wir verloren.«
    »Gewiß«, versetzte der Gallego, »nichts kann wahrer sein.«
    »Freund Peregil«, sagte der Maure, »du bist ein kluger Mann, und wirst gewiß ein Geheimniß für dich behalten können; aber du hast eine Frau.«
    »Kein Wort soll sie davon erfahren«, erwiederte der Wasserträger barsch.
    »Genug«, sagte der Maure; »ich verlasse mich auf deine Klugheit und dein Wort.«
    Nie war ein Wort in bestimmter und redlicherer Absicht gegeben worden; welcher Mann kann aber vor seiner Frau ein Geheimniß behalten? Gewiß keiner wie Peregil, der Wasserträger, der einer der liebevollsten und gutmüthigsten Ehemänner war. Als er nach Hause kam, fand er seine Frau noch auf, die gedankenvoll in einem Winkel saß.
    »Recht schön«, rief sie, als er eintrat; »endlich bist du da, nachdem du bis in diese Stunde der Nacht umherschwärmtest. Mich wundert, daß du nicht wieder einen Mauren als Hausgenossen heimgebracht hast.« Darauf brach sie in Thränen aus, rang ihre Hände und schlug sich die Brust. »Unglückliche Frau, die ich bin«, rief sie, »was soll aus mir werden? Mein Haus von Advokaten und Alguacils beraubt und geplündert; mein Mann ein Taugenichts, der kein Brod mehr für seine Familie heimbringt, sondern mit ungläubigen Mauren Tag und Nacht herumstreicht! O meine Kinder! meine Kinder! was wird aus uns werden? Wir werden alle in den Straßen betteln gehen müssen!«
    Der ehrliche Peregil ward durch den Gram seiner Frau so gerührt, daß er sich nicht enthalten konnte, auch zu schluchzen. Sein Herz war so voll wie seine Tasche, – es mußte sich ausschütten. Er steckte seine Hand in die letztere, that drei oder vier dicke Goldstücke heraus und ließ sie in ihren Busen gleiten. Die arme Frau war starr vor Erstaunen und wußte nicht, was dieser goldne Regen bedeuten sollte. Ehe sie sich von ihrem Erstaunen erholen konnte, zog der kleine Gallego eine goldene Kette hervor und ließ sie vor ihr baumeln, während er vor Freude sprang und den Mund von einem Ohr zum andern aufriß.
    »Die heilige Jungfrau schütze uns!« rief die Frau. »Was hast du gethan, Peregil? Du hast doch nicht Raub und Mord begangen?«
    Dieser Gedanke war der armen Frau kaum durch den Kopf geflogen, so war er auch schon Gewißheit bei ihr. Sie sah schon einen Kerker und
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