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Sagen von der Alhambra (German Edition)

Sagen von der Alhambra (German Edition)

Titel: Sagen von der Alhambra (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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warf Alles drunter und drüber, bis der Tag kam. Jetzt nahm er das Becken unter den Arm und eilte in das Haus seines täglichen Kunden, des Alcalden.
    Der Alcalde war eben aufgestanden. Pedrillo Pedrugo setzte ihm einen Stuhl hin, band ihm eine Serviette um den Hals, steckte ihm ein Becken mit heißem Wasser unter das Kinn und fing an, ihm den Bart mit den Fingern zu erweichen.
    »Seltsame Vorfälle!« sagte Pedrugo, der zugleich den Neuigkeitskrämer und den Barbier spielte: »Seltsame Vorfälle! Raub – Mord – und – Begräbniß – Alles in einer Nacht.«
    »Oho! – Wie? Was sagt Ihr da?« rief der Alcalde.
    »Ich sage«, versetzte der Barbier, indem er dem Würdenträger ein Stück Seife über die Nase und den Mund rieb, denn ein spanischer Barbier verachtet es, einen Pinsel zu brauchen, – »ich sage, Peregil, der Gallego, hat einen maurischen Muselmann in dieser gebenedeiten Nacht beraubt, gemordet und begraben. Maldita sea la noche – verflucht sei die Nacht!«
    »Aber wie habt Ihr das Alles erfahren?« fragte der Alcalde.
    »Habt Geduld, Señor, und Ihr sollt Alles hören«, erwiederte Pedrillo, nahm ihn bei der Nase und ließ das Rasirmesser über seine Wange gleiten. Er erzählte dann Alles, was er gesehen hatte, und machte beide Operationen zu gleicher Zeit ab, indem er ihm den Bart abkratzte, das Kinn wusch, und ihn mit einer schmutzigen Serviette abtrocknete, während er den Moslem beraubte, mordete und begrub.
    Nun traf es sich, daß der Alcalde einer der hochfahrendsten und zugleich einer der habsüchtigsten, schlechtesten Geizhälse in ganz Granada war. Gleichwohl konnte nicht geleugnet werden, daß er einen hohen Werth auf die Gerechtigkeit setzte; denn er verkaufte sie nach ihrem Gewichte in Gold. Er dachte sich, der vorliegende Fall sei ein Raubmord; ohne Zweifel habe es reiche Beute dabei abgesetzt. Wie war diese in die rechtmäßige Hand des Gerichtes zu bringen? – Denn den Verbrecher bloß zu ertappen, – das hieß nur den Galgen füttern; – aber den Raub ertappen, – das hieß den Richter bereichern, und dieß war, seiner Ansicht nach, der große Zweck der Gerechtigkeit. So dachte er und rief seinen treuesten Alguacil, – einen ausgetrockneten, hungrig aussehenden Schurken, nach der Sitte seines Standes in die altspanische Tracht gekleidet: ein breiter schwarzer Hut nach allen Seiten aufgestülpt, ein sauberer Kragen, ein kleiner schwarzer Mantel von den Schultern flatternd, alte schwarze Unterkleider, welche seine schwanke, drähterne Gestalt noch mehr hervorhoben, während er in seiner Hand einen dünnen, weißen Stab trug, das gefürchtete Abzeichen seines Amtes. Dieser Art war der Spürhund des Gesetzes von altspanischer Zucht, den er auf die Spuren des unglücklichen Wasserträgers hetzte; und so groß war dessen Eile, daß er dem armen Peregil, ehe derselbe noch sein Haus erreicht hatte, bereits auf den Fersen war, und ihn nebst seinem Esel vor den Spender der Gerechtigkeit brachte.
    Der Alcalde warf einen seiner fürchterlichsten Blicke auf ihn. »Hörst du, Verbrecher!« brüllte er in einem Tone, daß dem armen Gallego die Knie aneinander klapperten, – »hörst du, Verbrecher, du brauchst deine Schuld nicht zu leugnen, ich weiß bereits Alles. Ein Galgen ist der beste Lohn für das Verbrechen, das du begangen hast; aber ich bin mitleidig und lasse gern mit mir reden. Der Mann, den du in deinem Hause ermordet hast, war ein Maure, ein Ungläubiger, ein Feind unserer Religion. Ohne Zweifel hast du ihn in einem Anfall religiösen Eifers todt geschlagen. Ich will daher nachsichtig sein; gieb die Habe heraus, welche du ihm genommen hast, und wir wollen die Sache vertuschen.«
    Der arme Wasserträger rief alle Heiligen als Zeugen seiner Unschuld an, aber ach, keiner von ihnen kam; und wenn sie gekommen wären, der Alcalde hätte alle Heiligen des Kalenders Lügen gestraft. Der Wasserträger erzählte die ganze Geschichte von dem sterbenden Mauren mit der ungeschmückten Einfachheit der Wahrheit; aber Alles war umsonst. »Wirst du auf deiner Aussage bestehen«, fragte der Richter, »daß dieser Moslem weder Gold noch Juwelen hatte, welche ein Gegenstand deiner Habgier waren?«
    »So gewiß ich selig zu werden hoffe, Euer Gnaden«, versetzte der Wasserträger; »er hatte nichts als eine kleine Kapsel von Sandelholz, die er mir als Lohn für meine Dienste vermachte.«
    »Eine Kapsel von Sandelholz? Eine Kapsel von Sandelholz?« rief der Alcalde, und seine Augen funkelten bei den
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