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Sagen von der Alhambra (German Edition)

Sagen von der Alhambra (German Edition)

Titel: Sagen von der Alhambra (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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eifrige Mönch sah diese heidnischen Schätze auf dem Punkte, seinen Krallen auf immer entrissen zu werden, und beschloß, zum Besten der Kirche und des heiligen Franciskus noch einen Griff in dieselben zu thun. Als daher die Glocken zu den animas [Fußnote: Animas, das Abendgeläute, um an die Fürbitte für die Seelen im Fegfeuer zu erinnern.] geläutet hatten und die ganze Alhambra still war, schlich er sich aus seinem Kloster, eilte durch das Thor der Gerechtigkeit nieder und verbarg sich im Dickicht der Rosen und Lorbeeren, welche den großen Zugang säumen. Hier blieb er und zählte die Viertelstunden, wenn die Uhr auf dem Wartthurme schlug, und lauschte auf das schauerliche Geheul der Eulen und das ferne Bellen der Hunde aus den Zigeunerhöhlen.
    Endlich hörte er Fußtritte und sah durch das Düster der überschatteten Bäume etwas, das wie ein Lastthier aussah, den Weg herabkommen. Der stämmige Mönch schmunzelte bei dem Gedanken, welchen klugen Streich er dem guten Lope zu spielen im Begriffe stehe.
    Er band seine Kutte auf und krümmte sich wie eine Katze, die eine Maus auf dem Korne hat, und harrte so, bis sein Raub gerade vor ihm war, wo er aus seinem laubigen Versteck hervorbrach, eine Hand auf das Schulterblatt, die andere auf das Kreuz des Esels legte, einen Sprung machte, der dem geübtesten Stallmeister zur Ehre gereicht hätte, und sich rittlings auf dem Thiere festsetzte. »Aha«, sagte der Mönch, »jetzt wollen wir sehen, wer das Spiel am besten versteht.« Er hatte diese Worte kaum ausgesprochen, als das Thier anfing auszuschlagen, sich zu bäumen und Sätze zu machen, und dann in vollem Laufe den Berg hinabschoß. Der Mönch versuchte das Thier aufzuhalten, aber vergebens. Es sprang von Fels zu Fels, von Busch zu Busch; des Mönchs Kutte war in Fetzen zerrissen und flatterte im Winde; sein geschorner Schädel erhielt manchen harten Schlag von den Baumästen und manche Schramme von dem Gesträuch. Um seinen Schrecken und Jammer zu vermehren, sah er eine Meute von sieben Hunden in vollem Bellen an seinen Fersen, und bemerkte zu spät, daß er sich wirklich auf den schrecklichen Belludo geschwungen hatte.
    Fort stürmten sie in Windeseile den großen Weg hinab, über die Plaza Nueva, den Zacatin entlang, um die Vivairambla, – nie flogen Jäger und Hund so pfeilschnell dahin, oder machten einen so höllischen Lärm. Vergebens rief der Mönch jeden Heiligen des Kalenders an und die gebenedeite Jungfrau obendrein: so oft er einen Namen dieser Art nannte, wirkte es wie ein frischer Spornstoß und verursachte, daß der Belludo einen haushohen Satz machte. Den übrigen Theil der Nacht hindurch wurde der unglückliche Pater Simon dahin und dorthin und wohin er nicht wollte geführt, bis jeder Knochen an seinem Leibe mürbe war und er sich so schändlich wund geritten hatte, daß man es kaum zu sagen vermag. Wieder ging es über die Vivairambla, den Zacatin, die Plaza Nueva und den Brunnenweg, und die sieben Hunde heulten und bellten und schnappten nach den Fersen des erschreckten Paters. Der erste Morgenstrahl schoß empor, als sie den Thurm erreichten; hier schlug das Kobold-Pferd kräftig hinten aus, schickte den Mönch mit einem Purzelbaum durch die Luft und stürzte, gefolgt von der höllischen Meute, in das dunkle Gewölbe, und ein tiefes Schweigen folgte dem eben noch so betäubenden Lärm.
    Ist jemals einem Mönche solch ein verteufelter Streich gespielt worden? Ein Bauer, der mit der Dämmerung an seine Arbeit ging, fand den unglücklichen Pater Simon am Fuße des Thurmes unter einem Feigenbaume liegen, aber so zerquetscht und zerschellt, daß er weder sprechen, noch sich regen konnte. Er wurde mit aller Sorgfalt und Aufmerksamkeit in seine Zelle geführt, und das Gerücht verbreitete sich, Räuber hätten ihn angegriffen und mißhandelt. Ein oder zwei Tage vergingen, ehe er wieder zum Gebrauche seiner Glieder kam; er tröstete sich mittlerweile mit dem Gedanken, daß er, obgleich ihm das Maulthier mit dem Schatz entgangen war, doch vorläufig einen guten Theil von der heidnischen Beute wegbekommen hätte. Als er sich wieder bewegen konnte, war es seine erste Sorge, unter seinem Lager zu suchen, wo er den Myrtenkranz und die ledernen Beutel mit Gold, die er der Frömmigkeit der Frau Sanchez abgezwungen, verborgen hatte. Wie groß aber war sein Jammer, als er sah, daß der Kranz wirklich nur ein verwelkter Myrtenkranz und die ledernen Beutel mit Sand und Geröll gefüllt waren!
    Pater Simon
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