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Sagen von der Alhambra (German Edition)

Sagen von der Alhambra (German Edition)

Titel: Sagen von der Alhambra (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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in welcher zwei große Porzellankrüge standen. Er versuchte sie herauszunehmen, aber sie waren unbeweglich, bis die unschuldige Hand seines Töchterchens sie berührte. Mit ihrer Hülfe brachte er sie aus der Nische und sah zu seiner größten Freude, daß sie mit maurischen Goldstücken nebst Juwelen und Edelsteinen gefüllt waren. Vor Tagesanbruch wußte er sie in seine Stube zu bringen und verließ die zwei wachthabenden Statuen mit ihren auf die leere Wand gerichteten Augen.
    So war Sanchez plötzlich ein reicher Mann geworden; aber der Reichthum brachte, wie gewöhnlich, eine Welt voll Sorgen mit sich, denen er bisher gänzlich fremd gewesen war. Wie sollte er seinen Schatz in Sicherheit bringen? Wie sollte er desselben genießen, ohne Verdacht zu erregen? Zum ersten Mal in seinem Leben erwachte jetzt auch die Furcht vor Räubern in seiner Seele. Er blickte mit Schauer und Schrecken auf die Unsicherheit seiner Wohnung und machte sich daran, Thüren und Fenster zu verschließen und zu verrammeln; gleichwohl konnte er nach allen diesen Vorsichtsmaßregeln nicht ruhig schlafen. Seine gewöhnliche Heiterkeit war dahin, er hatte für seine Nachbarn keinen Scherz und keine Lieder mehr, – kurz, er wurde das unglücklichste Geschöpf in der Alhambra. Seine alten Kameraden bemerkten seine Veränderung, bemitleideten ihn von Herzen und fingen an, sich von ihm zurückzuziehen, indem sie vermutheten, er möchte in Noch gerathen sein und Gefahr laufen, sie um Hülfe ansprechen zu müssen. Der Gedanke, daß sein ganzes Elend Reichthum sei, lag ihnen sehr fern.
    Die Frau unseres Lope Sanchez theilte seine Angst, aber sie hatte dafür geistlichen Trost. Wir hätten schon früher erwähnen sollen, daß, da Lope ein etwas leichter, unbesonnener, kleiner Mann war, seine Frau sich gewöhnt hatte, in allen wichtigen Gegenständen den Rath und Beistand ihres Beichtvaters, des Pater Simon, zu suchen, eines starken, breitschultrigen, blaubärtigen, rundköpfigen Mönchs aus dem nahen Franciskanerkloster, welcher in der That der geistliche Tröster der Hälfte der guten Weiber in der Umgegend war. Er stand außerdem in großer Achtung in verschiedenen Nonnenklöstern, welche ihm seine geistlichen Dienste durch häufige Geschenke von allerlei Leckereien und Spielereien, wie sie in Klöstern gemacht werden, belohnten, als da sind köstliches Eingemachtes, Zuckerbrod und Flaschen voll würziger Herzstärkungen, welche sich nach Fasten und Wachen als treffliche Erquickung auswiesen.
    Pater Simon gedieh in der Ausübung seiner Pflichten. Sein öliges Gesicht glänzte in dem Sonnenschein, wenn er sich an einem heißen Tag den Hügel der Alhambra hinauf arbeitete. Bei allen Annehmlichkeiten seiner Lage zeigte aber doch das knotige Seil um seinen Leib die Strenge der Zucht, die er gegen sich selbst übte, die Menge zog die Mützen vor ihm als einem Spiegel der Frömmigkeit, und selbst die Hunde spürten den Geruch der Heiligkeit, welcher seiner Kutte entströmte, und heulten aus ihren Löchern, wenn er vorüberging.
    Dieser Art war Pater Simon, der geistliche Rathgeber des holdseligen Weibes von Lope Sanchez; und da der Beichtvater der innigste Vertraute der Frauen in Spanien ist, so war er bald, natürlich ganz im Geheimen, mit der Geschichte des verborgenen Schatzes bekannt.
    Der Mönch sperrte Mund und Augen auf und bekreuzte sich zwölfmal bei dieser Nachricht. Nach einer kurzen Pause sagte er: »Tochter meiner Seele! Wisse, dein Mann hat eine doppelte Sünde begangen, – eine Sünde gegen den Staat und gegen die Kirche. Der Schatz, den er so für sich behalten hat, ist in den Besitzungen des Königs gefunden worden und steht folglich der Krone zu; da er aber den Ungläubigen gehörte und gewissermaßen den Klauen des Satans entrissen worden ist, sollte er der Kirche geweiht sein. Doch läßt sich die Sache immer noch beilegen. Bringe den Myrtenkranz hierher.«
    Als der gute Pater diesen sah, glänzten seine Augen mehr denn je vor Bewunderung der Größe und Schönheit der Smaragde. »Da dieses die ersten Früchte der Entdeckung sind«, sagte er, »sollte es billig frommen Zwecken geweiht sein. Ich will es in einem Schrein vor dem Bilde des heiligen Franciskus in unsrer Kapelle aufhängen und ihn noch in dieser Nacht angelegentlich bitten, daß dein Mann im ruhigen Besitze eures Reichthumes bleibe.«
    Die gute Frau war froh, daß sie so wohlfeilen Kaufes ihren Frieden mit dem Himmel machen konnte, und der Mönch, der den Kranz unter
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