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Sagen von der Alhambra (German Edition)

Sagen von der Alhambra (German Edition)

Titel: Sagen von der Alhambra (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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hatte bei all seinem Schmerze die Klugheit zu schweigen, da das Verrathen des Geheimnisses ihn bei dem Publikum nur lächerlich gemacht und die Strafe seines Vorgesetzten auf ihn herabgezogen haben würde. Erst viele Jahre später, auf seinem Todesbett, entdeckte er seinem Beichtvater seinen nächtlichen Ritt auf dem Belludo.
    Von Lope Sanchez hörte man lange nach seinem Abzug aus der Alhambra durchaus nichts. Man erinnerte sich seiner stets gern als eines fröhlichen Genossen, obgleich man aus dem Gram und der Schwermuth, welche er kurz vor seiner geheimnißvollen Abreise in seinem Benehmen zeigte, schließen zu müssen glaubte, Armuth und Unglück habe ihn zu einem verzweifelten Entschluß gebracht. Einige Jahre später wurde einer seiner alten Freunde, ein invalider Soldat, der zu Malaga war, von einem sechsspännigen Wagen umgeworfen und fast überfahren. Der Wagen hielt an; ein alter, reich gekleideter Herr, mit einem Degen und Haarbeutel, stieg aus, um dem armen Invaliden beizustehn. Wie groß war des Letztern Erstaunen, als er in diesem vornehmen Kavalier seinen alten Freund Lope Sanchez erkannte, der eben die Vermählung seiner Tochter Sanchica mit einem der ersten Granden des Landes feierte!
    In dem Wagen saß das Brautpaar. Da war auch Frau Sanchez, die jetzt so rund geworden war wie ein Faß und Federn und Juwelen und Halsbänder von Perlen und Diamantschmuck und Ringe an jedem Finger und einen Kleiderputz trug, den man seit den Zeiten der Königin von Saba nicht mehr gesehen hatte. Die kleine Sanchica war jetzt zur Frau herangewachsen, und nach ihrer Anmuth und Schönheit hätte man sie für eine Herzogin, ja geradezu für eine Prinzessin halten können. Der Bräutigam saß neben ihr, – ein etwas abgelebter, spindelbeiniger kleiner Mann, aber das bewies schon, daß er von ächtem Geblüte war, – denn ein wahrer spanischer Grande hat selten mehr als vier Fuß Höhe. Die Mutter hatte die Heirath zuwege gebracht.
    Der Reichthum hatte das Herz des ehrlichen Lope nicht verderbt. Er behielt seinen alten Kameraden mehrere Tage bei sich, bewirthete ihn wie ein König, nahm ihn mit in Schauspiele und Stiergefechte und sandte ihn endlich ganz beglückt nach Haus, mit einem dicken Sacke Geldes für sich und einem andern, den er unter seine alte Freunde in der Alhambra vertheilen sollte.
    Lope pflegte zu erzählen, ein reicher Bruder sei ihm in Amerika gestorben und habe ihm eine Kupfermine hinterlassen; aber die verschlagenen Plaudertaschen der Alhambra bestanden darauf, sein Reichthum rühre von nichts Anderm her als dem Umstande, daß er das von den zwei alabasternen Nymphen der Alhambra bewahrte Geheimniß entdeckt habe. Es wird bemerkt, daß diese zwei höchst verschwiegenen Statuen bis auf den heutigen Tag ihre Augen sehr bedeutungsvoll auf dieselbe Stelle in der Wand gefesselt halten, was Manchen glauben läßt, es sei noch irgend ein Schatz, welcher der Aufmerksamkeit eines unternehmenden Reisenden werth sein möchte, dort verborgen; obgleich andere, und vorzüglich weibliche Besucher sie mit großem Wohlgefallen als stete Monumente der Thatsache betrachten, daß Frauen ein Geheimniß zu bewahren vermögen.
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