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Sagen von der Alhambra (German Edition)

Sagen von der Alhambra (German Edition)

Titel: Sagen von der Alhambra (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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selbst Demantfelsen ihr weichen müssen.«
    »Pah«, sagte der kleine Gallego, »was nützt mich das Alles? Ich bin kein Beschwörer und weiß nichts von begrabenen Schätzen.« Bei diesen Worten nahm er seinen Wasserkrug auf die Schulter, ließ die Rolle in den Händen des Mauren und machte seine gewöhnliche Runde.
    Als er aber am Abend in der Dämmerstunde an dem Brunnen der Alhambra ausruhte, fand er eine Gesellschaft von Plaudertaschen versammelt, deren Unterhaltung, wie das in diesen abendlichen Stunden nicht ungewöhnlich ist, sich um alte Märchen und Sagen von übernatürlichen Ereignissen drehte. Da sie Alle arm waren wie Kirchenmäuse, verweilten sie mit Vorliebe bei dem vielbeliebten Stoffe – bei bezauberten Schätzen, welche die Mauren in verschiedenen Theilen der Alhambra zurückgelassen. Vor allem stimmten sie in dem Glauben überein, es lägen tief in der Erde unter dem Thurme der sieben Stockwerke große Schätze verborgen.
    Diese Geschichten machten einen ungewöhnlichen Eindruck auf den Geist des guten Peregil und senkten sich tiefer und tiefer in seine Gedanken, als er durch die dunkeln Pfade einsam zurückkehrte. »Wenn nun wirklich ein Schatz unter diesem Thurme begraben läge«, sagte er bei sich, »und wenn die Rolle, die ich bei dem Mauren gelassen habe, mich in den Stand setzte, sie zu heben?« In der plötzlichen Ekstase dieses Gedankens hätte er beinahe seinen Wasserkrug fallen lassen.
    Er wälzte sich diese Nacht ruhelos in seinem Bette und konnte vor allen den Gedanken, die sein Gehirn beunruhigten, nicht einen Augenblick schlafen. Mit dem frühesten Morgen eilte er in die Bude des Mauren und erzählte ihm Alles, was ihm in dem Kopfe herumgegangen war. »Ihr könnt Arabisch lesen«, sagte er; »laßt uns miteinander in den Thurm gehen und die Wirkung der Zauberformel versuchen. Schlägt es fehl, so sind wir nicht schlimmer daran als vorher; gelingt es, so theilen wir den ganzen Schatz, den wir finden, in gleiche Theile.«
    »Halt«, versetzte der Moslem; »die Schrift allein reicht nicht hin; sie muß um Mitternacht, bei dem Licht einer Kerze gelesen werden, welche auf besondere Art zusammengesetzt und hergerichtet ist und wozu das Erforderliche nicht in meinem Bereiche liegt. Ohne diese Kerze ist die Rolle von keinem Nutzen.«
    »Kein Wort mehr!« rief der kleine Gallego; »ich habe eine solche Kerze zur Hand und werde sie den Augenblick herbringen.« Damit eilte er nach Haus, und kam bald mit dem Ende der gelben Wachskerze zurück, die er in der Kapsel gefunden hatte.
    Der Maure fühlte und roch daran. »Hier sind seltene und kostbare Wohlgerüche mit diesem gelben Wachse verbunden«, sagte er. »Dieß ist die Art Kerze, wie sie in der Rolle bezeichnet ist. So lange sie brennt, werden die stärksten Mauern und geheimsten Höhlen offen bleiben. Aber wehe dem, der wartet, bis sie verloschen ist. Er bleibt verzaubert bei dem Schatze.«
    Sie kamen nun überein, den Zauber noch in derselben Nacht zu versuchen. Als daher in später Stunde sich nichts mehr regte als Eulen und Fledermäuse, bestiegen sie die waldbewachsene Anhöhe der Alhambra und näherten sich dem erwähnten Thurme, der von Bäumen umgeben war und durch so viele Sagen etwas Schauerliches hatte. Bei dem Licht einer Laterne tappten sie sich durch Büsche und über Steine zum Thor eines Gewölbes unter dem Thurme fort. Mit Furcht und Zittern stiegen sie eine in den Felsen gehauene Treppe hinab. Sie führte zu einer leeren, feuchten und öden Kammer, aus welcher eine zweite Treppe in ein tieferes Gewölbe ging. Auf diese Art stiegen sie vier verschiedene Treppen hinab, welche in eben so viele Gewölbe, eines unter dem andern, führten. Aber der Boden des vierten war fest; und obgleich der Sage nach noch drei Gewölbe tiefer unten waren, so war es doch, wie man behauptete, unmöglich, weiter einzudringen, da ein starker Zauber diese unteren Theile verschloß. Die Luft dieses Gewölbes war feucht und kalt und roch nach Erde, und das Licht verbreitete nur einen schwachen Strahl. In athemloser Ungewißheit standen sie eine Zeitlang hier, bis sie die Glocke des Wachtthurms schwach Zwölf schlagen hörten; da zündeten sie die Wachskerze an, welche einen Geruch von Myrrhen, Weihrauch und Storax verbreitete.
    Der Maure begann schnell zu lesen. Er hatte kaum geendigt, als ein Geräusch wie unterirdischer Donner entstand. Die Erde bebte, der Boden that sich auf und zeigte eine Treppe. Zitternd und bebend stiegen sie hinab und sahen
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