Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sag niemals STIRB

Sag niemals STIRB

Titel: Sag niemals STIRB
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
ich antworte, dass ich nicht kann, und dann wird er fragen, wie es mit einem Drink wäre, und ich werde nachgeben und ja sagen, weil er ein verdammt gut aussehender Mann ist …
    „Hören Sie, ich bin heute Abend zufällig frei“, sagte er. „Möchten Sie mit mir zum Dinner ausgehen?“
    „Ich kann nicht“, antwortete sie und fragte sich, wer dieses ermüdende Drehbuch geschrieben hatte und wie man da jemals ausbrechen konnte.
    „Wie wäre es dann mit einem Drink?“ Er warf ihr ein leichtes Lächeln zu, und sie fühlte, wie sie an der Kante einer sehr hohen Klippe entlangbalancierte. Das Verrückte dabei war, dass er so gut nun auch wieder nicht aussah. Seine Nase war schief, als hätte er sie sich gebrochen und sie nicht wieder einrichten lassen. Sein Haar brauchte einen Friseur oder zumindest einen Kamm. Sie schätzte ihn auf Ende dreißig, obwohl sich die Jahre kaum zeigten, ausgenommen um die Augen, wo tiefe Lachfalten von den Winkeln ausstrahlten. Nein, sie hatte viel besser aussehende Männer gekannt. Männer, die mehr anboten als nur eine verschwitzte Nacht in einem fremden Hotelzimmer.
    Warum geht mir dann dieser Kerl unter die Haut?
    „Nur ein Drink?“, bot er erneut an.
    „Danke“, erwiderte sie. „Nein.“
    Zu ihrer Erleichterung verfolgte er das Thema nicht weiter. Er nickte, lehnte sich zurück und blickte aus dem Fenster. Seine Finger trommelten auf den Aktenkoffer. Der sinnlose Rhythmus trieb sie zum Wahnsinn. Sie versuchte, den Mann zu ignorieren, genau wie er sie ignorierte, doch es war hoffnungslos. Dafür war er zu präsent.
    Als sie vor dem Oriental Hotel hielten, war Willy so weit, dass sie aus dem Wagen springen wollte. Wassie auch praktisch tat.
    „Danke für die Fahrt“, sagte sie und knallte schnell die Tür zu.
    „Hey, warten Sie!“, rief der Mann durch das offene Fenster. „Ich weiß Ihren Namen gar nicht!“
    „Willy.“
    „Haben Sie auch einen Nachnamen?“
    Sie drehte sich um und ging die Stufen zum Hotel hinauf. „Maitland!“, rief sie über die Schulter zurück.
    „Bis zum nächsten Mal, Willy Maitland!“, rief der Mann.
    Wohl kaum, dachte sie. Doch als sie die Eingangstür erreichte, konnte sie nicht anders, als dem Wagen nachzublicken, wie er um die Ecke verschwand. Und da fiel ihr erst ein, dass sie nicht einmal den Namen des Mannes kannte.
    Guy saß auf seinem Bett im Liberty Hotel und fragte sich, was ihn dazu getrieben hatte, in diesem Saustall abzusteigen. Nostalgie vielleicht. Plus geringe Spesen von der Regierung. Seit dem Krieg war er immer hier auf seinen Reisen nach Bangkok abgestiegen, und bis jetzt hatte er keinen Grund zu einer Veränderung gesehen.
    Das Haus barg eindeutig eine Menge Erinnerungen. Er würde nie diese heißen, lustvollen Nächte von 1973 vergessen. Er war einzwanzigjähriger Soldat auf Urlaub gewesen, sie eine dreißigjährige Krankenschwester der Army. Darlene. Ja, so hieß sie. Als er sie das letzte Mal sah, war sie eine kettenrauchende Mutter von drei Kindern mit fünfzig Pfund Übergewicht gewesen. Was für ein Jammer! Die Frau hatte sich, genau wie das Hotel, eindeutig verschlechtert.
    Vielleicht ich auch, dachte er, während er aus dem schmutzigen Fenster auf die Straße von Bangkok blickte. Wie hatte er diese Stadt geliebt, hatte die Tage geliebt, an denen er über die Märkte geschlendert war, auf denen die Farben so leuchteten, dass es in den Augen schmerzte, hatte die Nächte geliebt, in denen er durch die Seitenstraßen von Pat Pong gestreift war, wo Musik und Mädchen nie zu enden schienen. Nichts hatte ihn in jenen Tagen gestört – weder Lärm noch die Hitze oder die Gerüche.
    Nicht einmal die Kugeln. Er hatte sich immun gefühlt, unsterblich. Es war immer ein anderer, der sich eine Kugel einfing, immer ein anderer, der in einer Kiste heimgeschickt wurde. Dachte man anders, sorgte man sich zu lange und zu sehr um seine eigene Sterblichkeit, gab man einen lausigen Soldaten ab.
    Am Ende war er ein lausiger Soldat geworden.
    Es erstaunte ihn jetzt noch, dass er überlebt hatte. Das war etwas, das er nie ganz verstehen würde … die schlichte Tatsache, dass er es lebend nach Hause geschafft hatte.
    Besonders, wenn er an all die anderen Männer in dieser Transportmaschine aus Da Nang dachte, in diesem Zaubervogel, der sie von all dem Wahnsinn wegbringen sollte.
    Er hatte noch die Narben von dem Absturz. Und er hatte noch immer tödliche Angst vor dem Fliegen.
    Er weigerte sich, an den bevorstehenden Flug nach Saigon zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher