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Sag niemals STIRB

Sag niemals STIRB

Titel: Sag niemals STIRB
Autoren: Tess Gerritsen
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denken. Luftreisen waren unglücklicherweise Teil seines Jobs, und dies war ein weiterer Flug, den er nicht vermeiden konnte.
    Er öffnete seinen Aktenkoffer, holte einen Stapel Akten heraus und legte sich auf das Bett. Die erste Akte war eine von einem Dutzend, die er aus Honolulu mitgebracht hatte. Jede Akte enthielt einen Namen, Rang, Erkennungsnummer, Foto und eine detaillierte Darstellung – so detailliert wie möglich – der Umstände des Verschwindens. Dies hier war ein Navylotse, Lieutenant Commander Eugene Stoddard, zuletzt gesehen beim Aussteigen aus seinem getroffenen Seekreuzer, vierzig Meilen westlich von Hanoi. Eingeschlossen waren ein Zahnbild und ein alter Röntgenbericht über einenArmbruch, den er als Teenager erlitten hatte. Was die Akte ausließ, waren die Nebensächlichkeiten: die Ehefrau, die er hinterlassen hatte, die Kinder, die Fragen.
    Es gab immer Fragen, wenn ein Soldat im Kampf vermisst wurde.
    Guy überflog die Seiten, machte sich im Geist ein paar Notizen und griff nach einer anderen Akte. Dies hier waren die wahrscheinlichsten Fälle, die Männer, deren Story am besten zu der neuesten Sammlung von Überresten passte. Die vietnamesische Regierung gab drei Tote frei, und Guys Aufgabe war es zu bestätigen, dass die Skelette zu Nichtvietnamesen gehörten, und jedem einen Namen, einen Rang und eine Erkennungsnummer zu geben. Es war kein besonders angenehmer Job, aber einer, der getan werden musste.
    Er legte die zweite Akte beiseite und griff nach der nächsten.
    Diese enthielt kein Foto. Es war eine zusätzliche Akte, die er zögernd in letzter Minute in seinen Aktenkoffer gesteckt hatte. Auf den Umschlag war VERTRAULICH gestempelt. Vor einem Jahr war NICHT GEHEIM darauf gestempelt worden. Er öffnete die Akte und betrachtete stirnrunzelnd die erste Seite.
    Codename: Bruder Tuck
    Status: Offen (November 1985)
    Inhalt der Akte:
    1. Zusammenfassung von Zeugenaussagen
    2. Mögliche Identitäten
    3. Suchstatus
    Bruder Tuck. Eine Legende, die jeder Soldat kannte, der in Vietnam gekämpft hatte. Während des Krieges hatte Guy die Geschichten von einem bösen amerikanischen Piloten, der für den Feind flog, für pure Phantasie gehalten.
    Vor ein paar Wochen war er eines Besseren belehrt worden.
    Er war an seinem Schreibtisch im Armeelabor gewesen, als zwei Männer, Vertreter einer Organisation, die sich die Ariel Group nannte, in seinem Büro erschienen waren. „Wir haben einen Vorschlag“, sagten sie. „Wir wissen, dass Sie bald Vietnam besuchen, und wir möchten, dass Sie einen Kriegsverbrecher aufspüren.“ Der Mann, den sie haben wollten, war Bruder Tuck.
    „Sie machen Scherze.“ Guy hatte gelacht. „Ich bin kein Militärpolizist. Und diesen Mann gibt es nicht. Das ist ein Märchen.“
    Als Antwort hatten sie ihm einen Scheck über zwanzigtausend Dollar überreicht … „für Spesen“, wie sie sagten. Es sollte noch mehr geben, wenn er den Verräter zurückbrachte und der Gerechtigkeit übergab.
    „Und wenn ich den Job gar nicht will?“, hatte er gefragt.
    „Sie können kaum ablehnen“, lautete die Antwort. Dann hatten sie Guy exakt geschildert, was sie über ihn wussten, über seine Vergangenheit, darüber, was er im Krieg getan hatte. Ein brutales Geheimnis, das ihn zerstören konnte, ein Geheimnis, das er hinter einer Mauer aus Angst und Selbstverachtung versteckt hatte. Sie sagten ihm genau, was er zu erwarten hätte, wenn es ans Licht kam. Das volle Rampenlicht der Öffentlichkeit. Die Gerichtsverhandlung. Die Gefängniszelle.
    Sie hatten ihn in die Ecke getrieben. Er hatte den Scheck genommen und auf die nächste Kontaktaufnahme gewartet.
    Am Tag vor seiner Abreise aus Honolulu war diese Akte per Eilpost aus Washington eingetroffen. Ohne sie anzusehen, hatte er sie in seinen Aktenkoffer geschoben.
    Jetzt las er sie zum ersten Mal und verharrte bei der Seite mit möglichen Identitäten. Mehrere Namenerkannte er von seinem Stapel mit Vermisstenakten, und diese Liste erschien ihm unfair. Diese Männer waren im Kampf vermisst gemeldet worden und waren wahrscheinlich tot. Sie als mögliche Verräter zu brandmarken, war eine Beleidigung ihres Andenkens.
    Er ging die Namen dieser Piloten, die sich nicht mehr wehren konnten, einen nach dem anderen durch. Nach der Hälfte der Liste stockte er und konzentrierte sich auf die Eintragung. „William T. Maitland, Pilot, Air America“. Daneben befand sich ein Sternchen und darunter eine Fußnote: „Bezugnahme auf Akte M-70-4163,
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