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Saeculum

Titel: Saeculum
Autoren: Poznanski Ursula
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Teller.
    »Ist doch wahr!«, platzte Steinchen schließlich heraus. »Saeculum hat er auf ewig kaputt gemacht, aber es gibt ja noch andere Rollenspiel-Gruppen, die in der Nähe von Dörfern und Bauernhöfen spielen oder in Jugendherbergen. Nur Spaß, keine Gewittererlebnisse, denen man schutzlos ausgeliefert ist, keine Leichenfunde. Keine Flüche.« Wie zur Bekräftigung stieß er seine Gabel in einen riesigen Champignon.
    »Schon in Ordnung, ich hab doch nichts dagegen, wenn du wieder Lust auf Mittelalter kriegst, nur für mich ist es nich-«
    In Bastians Hosentasche vibrierte sein Handy. Nicht schon wieder. Er holte es hervor, warf einen schnellen Blick auf das Display und drückte das Gespräch weg. Eine neue Handynummer würde langfristig wohl das Beste sein.
    »Wir möchten gern noch etwas bestellen«, rief ein bärtiger Typ an Tisch zwei und hielt sein leeres Glas hoch.
    »Komme!« Bastian sprang auf. »Wir unterhalten uns gleich weiter, ja?«
    Er nahm die Bestellung entgegen, kassierte an einem anderen Tisch, servierte zwei Bier und kehrte zu Warze und Steinchen zurück.
    »Du hast das echt toll bewältigt«, sagte Warze, als Bastian sich wieder setzte. »Ich glaube, an deiner Stelle hätte ich ein echtes Trauma. Mich verfolgen ja schon die drei Tage in diesem Loch, dabei wollte mich niemand opfern.«
    Steinchen runzelte die Stirn. »Spiel es nicht runter, das war kein Honigschlecken.«
    »Sehe ich auch so«, murmelte Bastian und malte mit seinem Finger die nassen Kringel nach, die die Gläser auf der Tischplatte hinterlassen hatten. Er wünschte sich, jemand würde das Thema wechseln. Erst letzte Nacht hatte er wieder von der Gruft geträumt, diesmal war Tristram auf seinen knöchernen Beinen umhergewankt und hatte seinen Kopf gesucht. Bastian war aufgewacht, nass von Schweiß, und hatte im ersten Moment geglaubt, wieder im Kerker zu sein, unter dem Eisengitter, allein.
    Er stand auf. »Wollt ihr noch etwas aus der Küche? Wir haben ein großartiges Tiramisu.«
    Wieder Vibrieren in der Hosentasche. Ein schneller Blick aufs Display. Wegdrücken.
    »Also, eine kleine Portion nehme ich gern«, sagte Steinchen, doch noch während er sprach, verdüsterte sich sein Gesicht, nahm einen Ausdruck zwischen Empörung und Fassungslosigkeit an.
    »Ist was?«, erkundigte Bastian sich, spürte im gleichen Moment den Schwall kühler Luft, der mit jedem neuen Gast ins Lokal strömte, und drehte sich um.
    »Sorry, aber nachdem du nicht an dein Handy gehst, musste ich eben ohne Voranmeldung vorbeikommen.« Paul lächelte und legte seine Jacke ab. Er hatte sich verändert - das Haar kürzer, das Outfit definitiv teurer - und zog die Blicke aller Mädchen im Raum auf sich. »Hi, Steinchen! Warze, schön, dich wiederzusehen.«
    Ohne ein Wort knallte Steinchen fünfzehn Euro auf den Tisch, schob seinen Stuhl zurück und stand auf, Warze tat es ihm nach.
    »Wir sehen uns, Bastian«, sagte er. »Wenn ich du wäre, würde ich ihn rausschmeißen«, fügte er leiser hinzu.
    Sie gingen an Paul vorbei, als wäre er Luft, und er sah ihnen nach, scheinbares Bedauern im Blick. Sollte man jedenfalls glauben. Aber er verarscht mich nicht noch einmal.
    Bastian steckte das Geld ein und räumte die Gläser vom Tisch. Jede Bewegung kostete ihn doppelte Mühe, und wenn er gekonnt hätte, wäre er Steinchen und Warze hinterhergelaufen.
    Nein. Verdammt. Er riss sich zusammen und trug das schmutzige Geschirr in die Küche. Als er zurückkam, hatte Paul an der Bar Platz genommen.
    »Ich hätte gern einen Orangensaft«, sagte er. In seinem Gesicht stand ein winziges Lächeln, das man für schüchtern hätte halten können, wenn man den, der lächelte, nicht besser gekannt hätte.
    Ohne zu nicken und ohne zu antworten, füllte Bastian ein Glas mit Saft und stellte es vor Paul ab.
    »Lass uns kurz reden, bitte.«
    »Ich wüsste nicht worüber.« Obwohl - eigentlich wusste er es doch. »Wer hat dir gesagt, dass ich hier arbeite?«
    Es gelang Paul beinahe, seinen Triumph darüber zu verbergen, dass er Bastians Schweigen geknackt hatte. Beinahe.
    »Deine Mutter.«
    Bastian wirbelte herum. »Bist du irre? Lass meine Mutter in Ruhe, sie hat damit nichts zu tun!«
    »Das stimmt natürlich.« Paul rupfte kleine Stückchen von einem Bierdeckel und rollte sie zwischen seinen Fingern zu winzigen Kugeln. »Aber sie hat sich über meinen Besuch gefreut, ob du es glaubst oder nicht. Sie sagte, sie hätte immer gern Geschwister für dich gehabt.«
    Mit aller Mühe
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