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Saeculum

Titel: Saeculum
Autoren: Poznanski Ursula
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vorbei ist, wenn sich die Nervenzellen in ihrem Gehirn entladen. Und dann kommt die Convention, Paul holt dich in sein Team. Gefragt sind erschreckende Zwischenfälle, Dinge, die Angst machen. Und da schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe: Paul kriegt Schreie in der Nacht und einen beängstigenden Anfall zum richtigen Zeitpunkt. Du dafür die Genugtuung zu sehen, wie alle vor Lisbeth zurückweichen. Du hast ihr die Tabletten geklaut und später, in der Gruft, hast du ihren Anfall ausgelöst, nicht? Ein bisschen Flackern, und - tadaaa! Schon windet sich Lisbeth am Boden und spuckt Schaum.«
    Sandra bewegte den Kopf hin und her, zu langsam, als dass es ein Schütteln gewesen wäre. »›Ihre Schreie werden euch alle verzweifeln lassen.‹ Es war so perfekt. Du hättest sehen sollen, wie begeistert Paul von meiner Idee war, wie er mich geküsst hat …« Sie lächelte an Iris vorbei.
    »Und dafür hast du deine Freundin verraten? Ehrlich, Sandra? Für Pauls Aufmerksamkeit? Das war ja nicht sehr erfolgreich.«
    »Nicht nur.« Sandras Lächeln wurde eine Spur schärfer. »Du hast keine Ahnung, wie das ist. Immer Lisbeth, Lisbeth, Lisbeth. Seit ich sie kenne. So schön, so unbeschreiblich wundervoll.« Sie sah hoch. »Ich habe ihr die Krankheit ja nicht angehext. Nur dafür gesorgt, dass sie auch mal eine Schwäche zeigt.«
    »Verschwinde.« Iris sagte es ganz leise. Sie brauchte ihre ganze Beherrschung, um Sandra das Medaillon nicht um die Ohren zu schlagen.

    Der Kräuterstand, der Schmied, die Bude mit den Taschen und Amuletten aus Leder. Dahinter stand Lisbeth, schöner denn je. Sie trug das Haar offen und verkaufte drei halbwüchsigen Jungen breite Lederbänder für die Handgelenke. Ihre Kunden würdigten die Ware kaum eines Blickes, klebten aber mit ihren Augen förmlich an der Verkäuferin.
    Iris stellte sich hinter ihnen an und griff in ihre Rocktasche. Nachdem sie Sandra hatte stehen lassen, war dieser merkwürdige Entschluss in ihr gereift. Ihn durchzuführen, kostete sie nun mehr Überwindung, als sie gedacht hatte.
    »Hallo, Lisbeth.«
    Sie strahlte. »Hey! Schön, dich zu sehen.«
    »Wie geht es dir?«
    Lisbeth zählte den Jungen das Wechselgeld auf den Tisch, über ihr Gesicht ging ein kaum wahrnehmbarer Schatten. »Gut.«
    Eins der Amulette auf dem Tisch hatte die Form eines Falken. Vielleicht war es auch ein Adler.
    »Keine Probleme mehr? Alles wieder okay?«
    »Ich bin neu eingestellt, falls du das meinst«, antwortete Lisbeth nach einer kurzen Pause. »Seit drei Wochen wieder anfallfrei. Meine Ärztin meint, ich hätte Glück gehabt.«
    »Das freut mich.«
    »Georg und ich - wir haben uns getrennt«, setzte Lisbeth fort, ein wenig leiser. »Es geht ihm leider sehr schlecht deswegen, aber für mich war es wichtig. Erinnerst du dich noch, was du zu mir gesagt hast, als wir den Keller endlich verlassen konnten? Dass er jemanden braucht, der bedürftig ist. Damit hast du voll ins Schwarze getroffen.« Trotzig legte Lisbeth das eingenommene Geld in die Kasse. »Aber ich bin nicht so. Ich brauche keinen Aufpasser. Ich will keinen.«
    Iris nickte gedankenverloren. Der energische Zug um Lisbeths Mund war ein gutes Zeichen. Sie würde die Wahrheit aushalten. »Ich habe dir etwas mitgebracht.« Schnell, als wäre es heiß, legte Iris das Medaillon auf den Tisch.
    Lisbeth starrte es an, hob dann den Blick, voller Misstrauen. »Woher hast du das?«
    Iris erzählte es ihr. Alles, bis auf das Gespräch, das sie gerade eben mit Sandra geführt hatte. Ließ Lisbeth ihre eigenen Schlüsse ziehen.
    Lisbeth griff nach dem Medaillon, sah es an, als sähe sie es zum ersten Mal. »Aber …«, sie stockte. »Das ist doch Irrsinn. Wir kennen uns schon so lange.«
    »Vielleicht«, sagte Iris, »ist genau das das Problem.«

    Es war eine kleine, aus Holzbrettern zusammengezimmerte Bühne, auf die Iris ihre Sammelschale stellte. Rundherum hatten sich bereits ein paar Grüppchen versammelt, und als Iris hochstieg und ihre Harfe auspackte, strömte weiteres Publikum herbei.
    Sie legte die Stimmklappen um, C-Dur gleich a-Moll für das erste Stück. Greensleeves. Der alte Publikumsmagnet. Zu dumm nur, dass sie niemanden hatte, der mit der Holzschale durchs Publikum gehen und Geld einsammeln konnte. Trotzdem ertönte dann und wann ein helles Klimpern und Iris neigte jedes Mal dankend den Kopf.
    Schnell umstimmen. Carolan's Dream, Si Bheag Si Mhor, kurze Pause, wieder umstimmen.
    Inzwischen standen die Menschen so eng, dass sich kaum
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