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Saeculum

Titel: Saeculum
Autoren: Poznanski Ursula
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Mutter, die ihm ein geklautes Holzschwert wieder abnehmen wollte.
    Unglaublich, wie viele Menschen der Markt angelockt hatte. Die unkostümierten Besucher, wie Bastian selbst, wirkten in ihren Jeans, T-Shirts und Turnschuhen zwischen den Rittern und Edeldamen, Wikingern und Amazonen merkwürdig deplatziert.
    Der Turnierplatz war von einem Bretterzaun begrenzt, an dem Trauben johlender Kinder hingen, viele mit hölzernen Speeren oder Schwertern bewaffnet, einige mit Steinschleudern. Bastian ging im Kopf die verschiedenen Augenverletzungen durch, die ein gezielter Treffer mit sich bringen konnte, doch er bremste sich gleich wieder. Heute nicht, zum Teufel.
    In der Mitte des Platzes war ein Schwertkampf in vollem Gang. Ein kräftig wirkender Ritter ganz in Blau wehrte sich gegen seinen kleineren, aber wieselflinken Gegner, der ihn abwechselnd mit dem Schwert und mit Fußtritten attackierte.
    In unmittelbarer Nähe des Geschehens entdeckte Bastian Sandra. Einmal mehr fiel ihm auf, wie hübsch sie war, gerade dann, wenn sie sich unbeobachtet fühlte. Noch nie hatte sie so gelöst gewirkt wie auf diesem Markt; sie passte hierher, wie sie da in der ersten Reihe stand, leicht über den Zaun gebeugt, und den Schwertkampf beobachtete. Als wäre sie hier zu Hause.
    Ab und zu wechselte sie ein paar Worte mit dem Zuschauer neben ihr, der aussah wie ein bärtiges, langhaariges Fass auf zwei Beinen. Ob er auch zu den Kämpfern gehörte? Das Schwert, das an seinem breiten Gürtel hing, sprach dafür, sein Körperumfang dagegen.
    Der blaue Ritter brachte seinen Gegner zu Fall und stürzte sich mit erhobener Waffe auf ihn, doch sein kleiner Kontrahent wälzte sich blitzschnell aus der Gefahrenzone und war mit einem Sprung wieder auf den Füßen. Das Publikum johlte.
    »Bastian! Hier sind wir!« Sandra hatte ihn entdeckt und winkte heftig. »Komm! Georg und Nathan sind gleich fertig!«
    Er entschuldigte sich nach rechts und links, während er sich durch die Reihen drängte.
    »Wo steckst du denn?« Sandra legte einen Arm um ihn. »Beim Stand mit den Ölseifen hab ich dich noch gesehen und im nächsten Augenblick warst du verschwunden.«
    »Daneben hat jemand Heilkräuter verkauft, das musste ich mir kurz ansehen.«
    Sie verdrehte in gespieltem Ärger die Augen. »Hätte ich mir denken können.« Sie wandte sich zu dem Fassförmigen um, der das Gespräch schmunzelnd verfolgt hatte. »Das hier ist Bastian, von dem ich dir erzählt habe. Bastian, das ist Steinchen.«
    Steinchen? Unwillkürlich musste Bastian grinsen. Brocken, fand er, hätte die Sache eher getroffen.
    »Zum Gruße, edler Fremder«, sagte der Koloss. »Seid nicht zu erstaunt über meinen wunderlichen Namen, denn eigentlich heiße ich Christian Stein. Doch fürwahr, kein Schwein nennt mich so.«
    Edler Fremder? Fürwahr? Bastian wechselte einen Blick mit Sandra. Erwartete sie, dass er auch so redete?
    Im nächsten Moment landete Steinchens Hand wuchtig auf seiner Schulter. »Schon in Ordnung, lass dich von meinem Geschwafel nicht aus dem Konzept bringen.«
    »Okay, danke«, sagte Bastian erleichtert. »Ich hab's nicht so mit den mittelalterlichen Umgangsformen, tut mir leid.«
    »Macht ja nichts, das geht schnell, wenn es drauf ankommt. Hat Sandra dir nicht gesagt, dass du auf diesem Markt den Eintritt sparst, wenn du in Gewandung kommst?«
    Gewandung, schon wieder so ein Wort. »Doch, aber ich habe keine … Gewandung. Und ganz im Ernst, die hätte sicher mehr gekostet als der Eintritt.«
    »Ein kluger Kerl, meiner Treu«, murmelte Steinchen.
    Er blickte zwischen Bastian und Sandra hin und her. »Wie lange kennt ihr euch schon?« Sein Augenzwinkern verriet, dass er zu gerne Details gehört hätte.
    Bastian fuhr sich verlegen durchs Haar. »Noch nicht sehr lange. Ein paar Wochen.«
    »Sechs. Das heißt … wir haben uns ungefähr vier Mal getroffen«, erklärte Sandra fröhlich. »Wir sind uns an der Uni begegnet, so ungefähr der einzige Ort, wo man Bastian antrifft. Er vergräbt sich meistens in seine Bücher und lernt. Hat selten Zeit auszugehen.«
    »Du dafür umso mehr, soviel ich weiß«, neckte Steinchen sie. »Gib es zu, du hast dich extra zu den Medizinern verirrt, um dir einen künftigen Oberarzt zu angeln.«
    Sandra boxte ihm spielerisch in die Rippen. »So etwas würde ich nie tun.« Sie lächelte Bastian zu. »Aber sieh ihn dir doch an: Ist er nicht viel zu schade, um als Stubenhocker zu enden? Ich finde, er bekommt zu wenig frische Luft, und ich habe
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