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Saeculum

Titel: Saeculum
Autoren: Poznanski Ursula
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ihren Sommersprossen und den leicht schräg liegenden Augen ließ sie das wie eine zerrupfte Elfe wirken.
    Als er bemerkte, dass sie seinen Blick mit einer Mischung aus Belustigung und Verachtung erwiderte, war es zu spät, um so zu tun, als hätte er sie nur zufällig angesehen.
    »Wir kennen uns noch nicht, ich bin Bastian«, sagte er in dem Versuch, sein Gestarre durch eine höfliche Vorstellung wiedergutzumachen. »Ich bin mit Sandra hier.«
    »Ach.«
    »Bastian studiert Medizin«, erklärte Steinchen.
    »Ach.« Iris ließ ihren Blick einmal an ihm auf- und abwandern, richtete ihn kurz auf Sandra und schließlich auf die Horden der vorbeiziehenden Marktbesucher. »Ihr findet mich bei Doro«, verkündete sie, klaute Steinchen eine weitere Scheibe Brot und tauchte wieselflink in der Menschenmenge unter.
    »Tja, jetzt kennst du auch Iris.« Die Geringschätzung in Sandras Stimme war schwer zu überhören.
    »Stimmt etwas nicht mit ihr? Ihr Haar ist sehr … originell.«
    »Unter uns gesagt … na ja, ich will nicht schlecht über sie reden, aber sie hat einen ziemlichen Knall und richtig üble Manieren. Vor einem Jahr hat sie noch ganz normal ausgesehen. Aber sie lässt sich nicht reinreden. Als ich sie mal darauf angesprochen habe, wäre sie mir fast ins Gesicht gesprungen.«
    Steinchen klopfte sich mit beiden Händen auf seinen prallen Bauch. »Stimmt. Dabei warst du so diplomatisch.«
    Wieder zogen die Dudelsack-Schotten vorbei, diesmal begleitet von zwei Trommlern.
    »Ich geh dann mal!«, schrie Warze, putzte sich die Krümel von seinem Lederwams und verschwand im Menschenstrom.
    Bastian blinzelte gegen die Sonne, satt und zufrieden. Er fühlte Sandras Kopf an seiner Schulter und legte einen Arm um sie, probeweise. Sie rückte nicht ab, sondern lehnte sich an ihn und begann, eine leise Melodie zu summen. Vor ihnen in der Wiese rekelte sich Paul wie ein träges Raubtier, drehte sich zur Seite und lächelte. »Ihr seid ein hübsches Paar.«
    Sandras Kichern war ein leichtes Vibrieren an Bastians Schulter. »Kümmere dich um deinen eigenen Kram, Paulchen.«
    »Ach.« Er grinste. »Das tue ich doch ständig.«
    Bastian war so entspannt zumute wie schon lange nicht mehr. Der Mechanismus in seinem Inneren, der ihn wie ein Motor ständig antrieb, war zum Stillstand gekommen. Dank Sandra. Er drückte sie eine Spur fester an sich. Sandra pustete ihm eine Haarsträhne von der Brille.
    »Was hältst du davon«, sagte sie, »wenn wir noch mal zu den Heilkräutern gehen und uns schlaumachen? Solches Wissen kann man immer gebrauchen, wenn man draußen in der Natur ist, und wer weiß, wohin es dich in nächster Zeit verschlägt …«
    Sie verbrachten den ganzen Nachmittag damit, von einem Marktstand zum anderen zu schlendern, sahen Kunsthandwerkern bei der Arbeit zu, versuchten, bei einem mittelalterlichen Rundtanz mitzumachen, und flüchteten vor den allgegenwärtigen Dudelsackspielern. Die Luft wurde allmählich kühler und es machte sich bereits abendliche Stimmung breit. Sandra betrachtete Bastian von der Seite. »Es gefällt dir, oder?«
    Er nickte. »Ich habe lange nicht mehr so gut abschalten können wie heute.«
    »Hast du schon Pläne für Pfingsten?«
    Die Frage kam unerwartet. Pläne?
    »Das Übliche, wahrscheinlich. Lernen«, sagte Bastian. Der Gedanke schnürte sich schmerzhaft in seine gute Laune.
    »Warum machst du dir solchen Stress wegen deines Studiums? Möchtest du irgendeinen Geschwindigkeitsrekord brechen?«
    »Ach, das hat mit meinen Eltern zu tun. Längere Geschichte und nichts, womit ich uns den schönen Tag versauen will.«
    Sie gingen die nächsten Schritte schweigend; Bastian gab sich Mühe, das Gesicht seines Vaters aus seinen Gedanken zu verbannen, doch es gelang ihm nicht, wieder einmal.
    »Guck nicht so böse.« Sandra stieß ihm sanft den Ellenbogen in die Rippen.
    »Tue ich das? Oh. Also … Pfingsten. Was sollte ich denn deiner Meinung nach vorhaben, anstelle von Lernen?«
    »Mit mir wegfahren.«
    Bastian blieb stehen. War es das, worauf sie schon die ganze Zeit anspielte? Von wegen frische Luft und so?
    »Interessante Idee. Wohin?«
    »Das weiß ich nicht.« Sie schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. »Das wissen wir alle noch nicht. Aber es wird ein abgelegener Ort sein, weit weg von Dörfern, Straßen und Autos.« Sie sah zu ihm hoch und hielt seinen Blick mit ihren Augen fest.
    »Du willst nicht mit mir alleine wegfahren«, konstatierte er. »Sondern mich auf eine
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