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Saeculum

Titel: Saeculum
Autoren: Poznanski Ursula
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Lüge war. Bastian konnte sich unter Pauls Beschreibung nicht das Geringste vorstellen. »Und du, Steinchen?«
    »Mir geht es so ähnlich, allerdings habe ich es weniger mit dem Forschen und mehr mit dem Kochen.« Steinchen klopfte sich vergnügt mit den Händen auf seinen prallen Bauch. »Und mit dem Genießen! Gelegentlich verdinge ich mich aber auch als Grafiker, um mein Geldsäckel zu füllen.«
    »Er zeichnet unglaublich gut«, meinte Sandra. Sie saß so nah bei Bastian, dass ihre Schultern sich berührten. »Unser Saeculum-Wappen ist von ihm.«
    Richtig, die Sache mit dem Rollenspiel. Saeculum. »Erklärt ihr mir noch mal, worum es da geht?«, bat Bastian und suchte vergeblich nach etwas, womit er sich den Mund abwischen konnte. »Ihr veranstaltet Abenteuerspiele und verzichtet dabei auf neuzeitliche Erfindungen? Auf Uhren, Handys und all das Zeug, ja?«
    »Korrekt«, bestätigte Steinchen und hob den Knochen, an dem er gerade nagte, wie einen belehrenden Zeigefinger. »Aber nicht nur das. Bei unseren Conventions wirst du auch keine Streichhölzer finden, keinen Tabak und keine Bratkartoffeln.«
    »Wieso das?«
    »Paul, erklär du es ihm, du bist schließlich unser Organisationsfuzzi.«
    Diesmal dauerte es ein wenig, bis Paul antwortete, da er eben mit sichtlichem Genuss einem Hühnerbein den Garaus machte. »Es ist so: Kartoffeln, Mais, Tabak - das alles hat es in unseren Breiten erst ungefähr ab 1500 gegeben. Wir haben uns aber in den Kopf gesetzt, bei unseren Spielen nur solche Dinge zu verwenden, die man schon im 14. Jahrhundert kannte. Saeculum quartum decimum. War kein Zuckerschlecken damals. Pest, Kriege, sogar eine kleine Eiszeit. In unserem Alter hatten viele nur noch die Hälfte ihrer Zähne.« Er hob den Kopf und blinzelte zu Bastian hinüber. »Wie alt bist du?«
    »Zwanzig.«
    »Ich auch. Bald einundzwanzig. Das Alter, in dem man früher zum Ritter geschlagen wurde.« Paul klaute Steinchen ein Stück Fleisch und schlug seine Zähne hinein. »Wenn man aus reichen Verhältnissen kam, natürlich«, sagte er kauend. »Unsere Conventions sind allerdings nicht so entbehrungsreich wie das echte Mittelalter. Eine Pestepidemie ist praktisch ausgeschlossen und wir spielen nicht im Winter. Wir sind vielleicht ein bisschen extremer als andere Gruppen, aber verrückt sind wir nicht.«
    Aus Warzes Ecke kam ein prustendes Geräusch. »Ich kenne jede Menge Leute, die da anderer Meinung sind«, nuschelte er zwischen zwei Bissen hervor. »Und ein paar, die sich lieber mit ihrem nackten Hintern in Glasscherben setzen würden, als noch einmal mit uns fünf Tage in den Wald zu gehen.«
    Das hörte sich nicht sehr einladend an. Bastian fühlte, wie sich der Druck von Sandras Schulter an seiner verstärkte.
    »Ach, glaub Warze kein Wort«, wisperte sie, ganz nah an seinem Ohr. »Jemandem, der es selbst noch nicht erlebt hat, kann man es nur schwer beschreiben, es ist wie eine Reise in eine andere Welt. Das muss man mögen. Du bist weitab der nächsten Stadt, mitten im Wald. Was du zu Hause vergessen hast, kannst du nicht einfach nachkaufen, also wirst du vielleicht frieren oder hungern. Möglich, dass du im Freien schläfst, ohne Hütte und Zelt, über dir nur ein Himmel voller Sterne …«
    »… unter dir ein ziemlich nasser Arsch«, fiel ihr eine raue weibliche Stimme direkt hinter ihnen ins Wort.
    Sandra seufzte. »Hallo, Iris.«
    »Georg schickt mich. Er will wissen, ob jemand Lisbeth beim Armbrustschießen ablösen kann.«
    »Warum springst du nicht selbst ein?«
    »Weil ich Doro versprochen habe, ihr gleich die Hintergrundmusik beim Handlesen zu machen.«
    Warze hob seine Hand, in der er das halb abgenagte Rippchen hielt. »Dann helfe ich Lisbeth. Aber ich esse erst noch fertig.«
    »Geht klar.« Iris warf schnelle Blicke nach rechts und links, bevor sie sich neben Steinchen ins Gras setzte. Er reichte ihr ein Stück Brot und sie stürzte sich darauf, als hätte sie tagelang nichts gegessen.
    Bastian betrachtete Iris mit dem gleichen Interesse, mit dem er sich einem unklaren Hautausschlag gewidmet hätte. Was war mit ihrem Haar los? Es sah aus, als wäre ein ausgeflipptes Kleinkind mit einer Schere darüber hergefallen. Manche Strähnen fielen ihr bis auf die Schultern, andere standen wie weggeraspelt vom Kopf ab. Hinzu kam, dass sie einige erfolglose Versuche mit Tönungen hinter sich zu haben schien - von Rot über Brünett bis Pechschwarz, alle Farben waren an irgendeiner Stelle vertreten. In Kombination mit
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