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Saeculum

Titel: Saeculum
Autoren: Poznanski Ursula
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deiner Saeculum-Cons mitnehmen, stimmt's?«
    »Stimmt. Aber wir werden viel Zeit füreinander haben. Komm mit, ja? Ich hätte dich so gern dabei!«
    Er fühlte Sandras Fingerspitzen über seinen Nacken streichen, was ihn schneller überzeugte als alle ihre Worte. Ein paar Tage ohne Handy waren locker auszuhalten, nein, das würde ein Genuss sein. Ein paar Tage ohne Bücher erst recht. Und das gemeinsam mit dem Mädchen, dessen grüne Augen ihn nicht mehr losließen …
    »Okay. Also, ich meine - vielleicht. Wahrscheinlich. Wenn ich vorher ordentlich reinhaue, dann kann ich mir vier lernfreie Tage leisten.«
    »Fünf«, korrigierte sie ihn. »Aber es lohnt sich, warte nur ab. Du glaubst gar nicht, was für ein Erlebnis das ist. Nichts ist so wie im normalen Leben. Manchmal hab ich auch eine Höllenangst, aber … mit dir zusammen wäre das bestimmt anders. Es gibt keine Sicherheitsnetze, verstehst du?« Sie sah zu ihm hoch, blickte ihm direkt in die Augen. »Man fühlt sich so lebendig, dass es fast wehtut.«
    Die letzten verbliebenen Sonnenstrahlen waren rot; in ihrem Licht wirkte der Markt mittelalterlicher als je zuvor. Vielleicht auch deshalb, weil fast nur noch Leute in Gewandung herumliefen, die anderen Besucher saßen längst zu Hause vor ihren Fernsehapparaten.
    Bastian atmete tief ein und aus. Es war Zeit, etwas Ungewöhnliches zu tun.
    »Sandra?«
    »Ja?«
    »Ich glaube, ich brauche ein neues Outfit.«

 
    I ris zählte die Münzen in ihrer Tasche. 23 Euro 48 für das Hintergrundgeklimpere bei Doro, eine Stunde Amulette-Verkaufen an Almas Stand und die Kinderbetreuung an der Strohballenburg. An jedem bescheuerten Regentag in einer x-beliebigen Fußgängerzone verdiente sie mehr, zum Teufel. Aber egal. Reichen würde es. Für die Con in vier Wochen hatte sie das Geld längst zusammengespart und danach blieb noch genug übrig, um sich für gut zehn Tage über Wasser zu halten. War also echt nur Freundlichkeit von ihr, den Klamottenstand zu betreuen, damit Nadja sich am Lagerfeuer ihre Spareribs reinhauen konnte. Genauso gut hätte sie den Laden für heute dichtmachen können, um diese Zeit kam sowieso keiner mehr.
    Sie ließ ihren Blick prüfend nach rechts und links schweifen, doch soweit sie es beurteilen konnte, war alles in Ordnung. Die Menschenmassen, die sich tagsüber auf dem Gelände vor und innerhalb der Burg getummelt hatten, waren ebenso beruhigend wie beängstigend gewesen. Beruhigend, weil man sie wie einen Tarnmantel um sich ziehen und darin verschwinden konnte. Beängstigend, weil für jeden anderen dasselbe galt und man drohendes Unheil nicht von Weitem kommen sah.
    Jetzt war es die Dunkelheit, die Schutz und Drohung zugleich bedeutete. Iris spähte ein weiteres Mal um sich, nahm jede Gruppe, jedes Pärchen in der Nähe in Augenschein und konnte nichts Verdächtiges entdecken. Gut. Warum dann nicht noch ein paar Euro mit Musik verdienen?
    Sie holte ihre Harfe aus der Instrumententasche und begann, sie zu stimmen. Jeden Tag üben, alle zwei Wochen ein neues Stück lernen. Um ihr Repertoire für die Fußgängerzonen zu erweitern, einerseits. Andererseits für die Zeit, wenn alles vorbei sein würde.
    Iris drückte ihren Rücken fest gegen die Stuhllehne, griff in die Saiten und spielte die ersten Takte von Greensleeves. Die Nummer zog beim Straßenpublikum wie die Hölle, weil jeder sie mitgrölen konnte, wie falsch auch immer. In die zweite Wiederholung des Themas hatte sie ein paar schnörkelige Variationen eingebaut, die häufiges Training brauchten. Aber - sie saßen. Ausgezeichnet. Wie erwartet lockte die Melodie bereits Leute an, Iris hörte ihre Schritte und zwang sich, den Blick auf das Instrument gesenkt zu halten. Gefährliche Menschen kicherten nicht albern, sondern näherten sich lautlos, ihre Schläge kamen aus dem Nichts, aus einer trügerischen Stille.
    »Hi, Iris. Wo ist denn Nadja?«
    Ah. Sandra und ihr neuer Freund mit der Klugscheißerbrille.
    »Essen gegangen.« Sie ließ den a-Moll-Akkord ausklingen und seufzte genervt. Die beiden waren nicht der Typ Publikum, der Kohle daließ.
    »Oh. Weißt du, wann sie wiederkommt?«
    »Keine Ahnung. Wenn sie satt ist, vermutlich.«
    Der Brillenheini griff nach einer Leinenhose mit Kordelzug und einem Schnürhemd. »Können wir uns so lange umsehen? Ich würde gern ein paar Sachen probieren.«
    A-Moll. C-Dur. »Sicher. Hinten im Zelt ist ein Spiegel, falls du einen brauchst.«
    »Danke.«
    Iris begann mit ihren Variationen zu Brian Boru's
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