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Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde

Titel: Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde
Autoren: Berte Bratt
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Heiko.“
    „Sie haben gar nichts zu danken, Olivia. Wissen Sie, ich bin froh, daß - ja, daß es so kam. Es mußte raus, nicht wahr?“
    „Doch“, sagte sie leise. „Ich habe mich so viele Jahre beherrscht. Ich hätte es weiter getan, wenn das mit der Taube nicht geschehen wäre.“
    „Dann ist das arme Tier nicht vergeblich gestorben“, sagte ich. Olivia umarmte mich schnell. Dann drückte sie Heikos Hand und ging rüber zu ihrem Mann.
    Heiko und ich aßen einen einfachen Lunch in einem Kaffeeshop, wo wir kaum riskieren würden, jemand aus der Gruppe zu treffen.
    „Tante Helene hatte recht“, sagte ich. „Olivia ist kein Biest. Sie ist nur ein unglücklicher Mensch.“
    „Hoffentlich kannst du ,war’ und nicht ,ist’ sagen“, meinte Heiko. „Weißt du, jetzt ist mir alles klar, alles, was du über sie erzählt hast! Sie hat doch gesagt, daß sie keinen Konnex zu Tieren hat? Siehst du, diese Einstellung hat sie sich selbst aufgezwungen, weil sie sich gegen solche furchtbaren Erlebnisse wie das mit der Taube wehren wollte.“
    „Und das mit den Kindern - daß sie Kinder nicht ausstehen könne - das war nicht gegen alle Kinder gerichtet, nur gegen eins -gegen Patricia.“
    „Und der Junge, den sie so erbarmungslos verprügelte - es war der Stiefvater, den sie schlug, es war der Haß gegen ihn, der sie erfüllte.“
    „Beides“, meinte ich. „Sie schlug auch den Jungen - sie schlug beide, sie gab all die Schläge, die sie seit Jahren nicht gegeben hat -alles, was sich an Wut und Haß und Bitterkeit in ihr gespeichert hatte, setzte sich in Schläge um, und der arme Popo des Jungen mußte dran glauben.“
    „Na, er verdiente es auch“, sagte Heiko. „Weiß der Himmel, ob ich es nicht selbst getan hätte, wenn ich zwei Arme gehabt hätte! -So, darf ich nun die gnädige Frau bitten, mir das Essen aufzuschneiden, oder soll ich es vom Knochen knabbern?“
    Ich lachte, schnitt das Kotelett klein und legte Gemüse und Kartoffeln dazu.
    „Es ist so schön, wenn du abhängig von mir bist, Heiko! Ich
    genieße es direkt!“
    „Als ob ich nicht immer von dir abhängig wäre, du Teufelsmädchen“, sprach mein Angetrauter und ging zum Angriff aufs Essen.
    Nachdem wir eine Stunde Nachmittagsruhe gehalten hatten, gingen wir an den Strand. Dort sahen wir Ehepaar Stone. Sie saßen nebeneinander auf einem ausgebreiteten Badetuch.
    „Wollen wir schwimmen, Sonja?“ rief Olivia. „Heiko darf nicht, das weiß ich, und Alec hat keine Lust.“
    „Fein, dann können die sich unterhalten!“ sagte ich. „Klar, daß ich schwimmen will, ich habe schon den Badeanzug an!“
    Ich ließ mein durchgeknöpftes Kleid fallen, dann sprangen wir in die blauen, lauwarmen Wellen.
    „Nur zu der Markierung!“ rief Heiko. „Mr. Stone und ich wollen nicht als Witwer weiterfahren! Denk an die Haie!“
    Olivia war eine glänzende Schwimmerin. Ich hatte meine liebe Not, mit ihr mitzukommen, und war ganz außer Puste, als wir das Riff erreichten, welches eine natürliche Grenze zwischen uns und den Haien bildete.
    „Sonja, würde es Sie interessieren zu wissen, wozu ich mich jetzt entschlossen habe?“ fragte Olivia, als wir da draußen eine Verschnaufpause machten.
    „Und wie!“
    „Alec hat mir etwas klargemacht. Es ist ja nicht Patricias Schuld, daß sie so maßlos verwöhnt ist. Da hat er ja recht. Und ich habe das Kind seit neun Jahren nicht gesehen. Alec ist bereit, sie bei uns aufzunehmen. Ich werde ihr schreiben und sie vorerst für einen Monat einladen. Vielleicht ist sie jetzt ganz anders, als ich es mir vorstelle. Vielleicht ist sie im Grund ein nettes Mädchen. Und sie ist meine Schwester. Wir hatten dieselbe Mutter. Wenn es gut geht, kann sie bei uns bleiben. Wenn es nicht geht, müssen wir irgendwie dafür sorgen, daß sie in eine gute Internatsschule kommt und nur die Ferien bei uns verbringt. Jedenfalls wollen wir alles tun, damit es reibungslos geht. Wir wollen unseren ganzen guten Willen mobilisieren.“
    „Und den haben Sie jetzt, Olivia?“
    „Ja. Jetzt habe ich ihn. Seit heute vormittag habe ich ihn.“ Sie richtete sich auf, stand parat, um wieder ins Wasser zu springen. Dann drehte sie den Kopf zu mir rum: „Ich glaube, ich habe mein bisheriges Leben heute mit all den Tränen weggewischt, ausradiert.
    Ich werde jetzt versuchen, neu anzufangen!“
    Dann streckte sie die Arme aus und machte einen Kopfsprung in das blaue Wasser des Pazifiks.

Bitte anschnallen!
    Wir mußten vor Sonnenaufgang
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