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Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde

Titel: Rywig 08 - Sonjas dritte Sternstunde
Autoren: Berte Bratt
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gegen jeden Anflug von Sentimentalität. Sie wollte hart sein und hart bleiben. Man müsse hart sein, um sich gegen Bosheit und Ungerechtigkeit wehren zu können. Nichts durfte sie mehr verletzen, nie mehr würde sie schwach werden. Der Stiefvater könne machen, was er wolle, es würde sie nie mehr stören!
    Die Ehe der Mutter mit diesem Mann wurde unglücklich. Sie litt unsagbar unter seiner Ungerechtigkeit und unter der Brutalität der Stieftochter gegenüber.
    Als Olivia siebzehn war, verlor sie ihre Mutter.
    Zum Begräbnis kam ein Freund ihres verstorbenen Vaters. Er hatte die kleine Olivia gekannt, als sie ein glückliches, süßes Kleinkind war. Daß sie jetzt blaß und todernst war, schrieb er auf die Rechnung der Trauer. Er fühlte sich angetan von dem schönen, edlen Gesicht, das soviel Ähnlichkeit mit dem seines verstorbenen Freundes hatte. Das „Pickelalter“ war überwunden, aus dem häßlichen Entlein war ein sehr hübscher Teenager geworden.
    Olivia kam in ein College, bestand ihr Examen mit Auszeichnung und wollte Geologie studieren. Dann traf sie wieder den netten Freund des Vaters. Beeindruckt von ihrer Schönheit, ihrer Intelligenz und voll Mitleid mit der einsamen jungen Frau heiratete er sie.
    Ihr Studium machte sie dann als junge verheiratete Frau.
    Den Stiefvater und die Halbschwester hatte sie nicht wieder gesehen, seit sie mit siebzehn Jahren das Haus verließ.
    „Mein Mann ist sehr gut zu mir“, sagte sie leise. „Er hat Geduld mit mir. Er weiß, wie meine Kindheit gewesen ist, und irgendwie -ja irgendwie ist er wie ein Vater für mich. Ehemann und Vater, ist das nicht ulkig?“
    Ein kleines, schiefes, mattes Lächeln zeigte sich auf dem verweinten Gesicht.
    „Das ist durchaus nicht ulkig“, sagte Heiko ruhig. „Ich nehme an, daß gerade das Väterliche bei ihm Sie damals dazu brachte, ihn zu heiraten. Ihr Mann ist ja viel älter als Sie!“
    „Ja. Zwanzig Jahre. Ja, vielleicht haben Sie recht. Vielleicht habe ich mich am allermeisten nach einem guten Vater gesehnt.“
    Jetzt sah sie mich an, und ihre Stimme war fester und klarer, als sie weitersprach: „Ich meinte, ich sei unverwundbar. Seit dem Augenblick, als mein Stiefvater die weiße Taube tötete, hat nichts, gar nichts bei mir eine Träne hervorlocken können. Dann traf ich Sie, Sonja. Und Lady Robinson. Sie waren beide so - ja, so unbefangen nett und lieb. Und Sie erzählten so fröhlich von Ihrem Elternhaus und von Ihren Geschwistern. Und damals, an Ayers Rock, waren Sie so bodenlos verzweifelt, als Sie um Heikos Leben bangten. Das alles brachte meine mühsam erworbene Kälte und Härte ins Wackeln. Sie strahlten wohl die Sonne aus, der mein Eispanzer nicht standhalten konnte. Ich hatte eine Ahnung, daß der Mensch, der es gelernt hat, nie zu weinen, einen blutigen Preis dafür bezahlt. Er hat nämlich auch das Lachen verlernt.
    Wenn man die Sorgen des Lebens nicht hinnehmen will, bleiben einem auch die Freuden versagt. Mit anderen Worten, es schlich sich eine Unsicherheit in mein Leben. Und mit der Unsicherheit kamen tausend Fragen.“
    „Sie hatten sich auch geändert“, sagte ich. „Sie waren viel netter geworden. Aber als wir uns in Adelaide wiedertrafen, waren Sie ganz anders, als ob Ihr Eispanzer wieder zugefroren wäre.“
    „Ich hatte einen Brief bekommen“, sagte Olivia, und ihre Stimme war gequält und undeutlich. „Von Patricia. Mein Stiefvater ist tot. Patricia - sie ist jetzt fünfzehn - fragt, ob sie zu mir kommen darf.“ „Und - darf sie das?“ fragte ich. Ich empfand es selbst nicht als indiskret, so zu fragen. Wir waren jetzt soweit gekommen, daß eigentlich nichts als Indiskretion betrachtet werden konnte.
    „Ich weiß es nicht“, sagte Olivia. Sie starrte vor sich hin. Vor der Bank lagen noch ein paar weiße Taubenfedern.
    „Wie habe ich das Kind gehaßt - wie habe ich es gehaßt“, flüsterte sie. Dann stand sie jäh auf.
    „Ich vergesse ja die Zeit. Mein Mann weiß nicht, wo ich bin.“
    Wir wanderten zusammen zurück zum Hotel. Sie wohnte in derselben Etage wie wir.
    „Kommen Sie einen Augenblick mit rein zu uns“, schlug Heiko vor. „Sie können sich bei uns ein bißchen zurechtmachen, Ihre Augen baden und so.“
    Ich ging mit ihr ins Bad, gab ihr Handtuch und Waschlappen und was sie sonst brauchte.
    Als sie die schlimmsten Spuren der Tränen und der Aufregung weggekriegt hatte, blieb sie einen Augenblick stehen.
    Sie ergriff meine Hände.
    „Danke, Sonja. Ich danke Ihnen - und
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