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Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen
Autoren: T. C. Boyle
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Großwildjagd
    The way to hunt is for as long as you live against
as long as there is such and such an animal.
Ernest Hemingway, Green Hills of Africa
    Wenn der Preis stimmte, durften die Leute abschießen, was sie wollten, sogar den Elefanten, aber Bernard hielt seine Gäste lieber etwas zurück. Einerseits gab es immer eine Riesenschweinerei, und außerdem verliehen die großen Viecher – Elefant, Nashorn, Wasserbüffel, Giraffe – dem Laden ja letzten Endes seine Glaubwürdigkeit, ganz zu schweigen vom Lokalkolorit. Und dann waren sie auch ziemlich schwer aufzutreiben. Noch heute tat es ihm leid, daß er diesem Bubi aus der Heavy-Metal-Band erlaubt hatte, eine seiner Giraffen abzuknallen – auch wenn er für die Aktion locker zwölftausend Dollar auf sein Konto hatte einzahlen können. Oder dieser Idiot von MGM, der auf eine Zebraherde losballert und dabei gleich noch zwei Strauße geköpft und den nubischen Wildesel verstümmelt hatte. Na ja, so etwas konnte vorkommen – und immerhin war er bei den großen Tieren hoch genug versichert, um den halben Zoo von Los Angeles aufkaufen zu können, wenn es sein mußte. Zum Glück hatte sich wenigstens noch keiner in den Fuß geschossen. Oder in den Kopf. Natürlich war er auch dagegen versichert.
    Bernard Puff erhob sich von dem schweren Mahagonitisch und kippte seinen Kaffeesatz in den Ausguß. Er war nicht direkt nervös, aber doch etwas unruhig; sein Magen rumorte und verkrampfte sich um den unverdaulichen Klumpen eines Frühstückshörnchens, seine Hände zuckten und zitterten vom Kaffee. Er zündete sich eine Zigarette an, um ruhiger zu werden, und starrte durch das Küchenfenster auf den Pferch der Dromedare, in dem eines dieser mottenzerfressenen arabischen Viecher systematisch die Rinde einer Ulme abnagte. Er betrachtete es voller Staunen, als hätte er es noch nie gesehen – die flexiblen Lippen und dieser bescheuerte Blick, die blöde malmenden Kiefer –, und nahm sich insgeheim vor, für die Kamele einen Sonderpreis anzubieten. Die Zigarette schmeckte nach Blech, nach Tod. Irgendwo stieß eine Spottdrossel ihren gellenden, wimmernden Schrei aus.
    Die neuen Gäste mußten jeden Moment eintreffen, und bei der Aussicht auf neue Gäste wurde ihm jedesmal ganz anders – es konnten einfach zu viele Dinge schiefgehen. Die Hälfte von ihnen konnte das eine Ende des Gewehrs nicht vom anderen unterscheiden, sie wollten den Brunch zu Mittag und anschließend eine Massage, und sie meckerten über alles und jedes, angefangen bei der Hitze über die Fliegen bis zum Brüllen der Löwen in der Nacht. Schlimmer noch, die meisten wußten offenbar nichts mit ihm anzufangen: die Männer sahen in ihm meist eine Art guten Kumpel im Blaumann und bedachten ihn pausenlos mit lüsternem Grinsen, dreckigen Witzen und verkehrter Grammatik, und die Frauen behandelten ihn wie eine Kreuzung zwischen Oberkellner und Wasserträger. Anfänger und Greenhorns, alle miteinander. Emporkömmlinge. Raffkes. Die Sorte Leute, die Klasse nicht einmal erkannten, wenn sie sie in die Nase biß.
    Bernard drückte die Zigarette grimmig in der Kaffeetasse aus, wirbelte auf den Fußballen herum und stürmte durch die Schwingtür hinaus in den hohen dunklen Korridor, der in die Eingangshalle führte. Schon jetzt war es drückend heiß, die Deckenventilatoren rührten vergeblich in der toten Luft rund um seine Ohren, und auf seinen frischrasierten Backenknochen juckte der Schweiß. Er trampelte den Korridor entlang, ein wuchtiger Mann in Wüstenstiefeln und Khakishorts mit zuviel Bauch und einem etwas übereifrigen, tölpelhaften Gang. In der Halle war niemand, auch die Rezeption war unbesetzt. (Espinoza fütterte gerade die Tiere – Bernard konnte von weitem das Kreischen der Hyänen hören –, und das neue Mädchen – wie hieß sie gleich? – war bisher noch nie pünktlich zur Arbeit erschienen. Kein einziges Mal.) Das Haus wirkte menschenleer, obwohl er wußte, daß Orbalina oben die Betten machte und Roland sich irgendwo heimlich einen hinter die Binde goß – aber vermutlich draußen hinter den Löwenkäfigen.
    Eine Weile blieb Bernard reglos in der Halle stehen, vor dem martialischen Hintergrund von Kudu- und Oryxantilopenschädeln, und las zum zehntenmal an diesem Morgen die Karte mit der Reservierung:
    Mike und Nicole Bender
Bender-Immobilien
15125 Ventura Blvd.
Encino, California
    Maklertypen. Du liebe Güte. Ihm waren die Leute vom Film allemal lieber – oder sogar die
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