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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde
Autoren: Barbara Lutz
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fassten sie mich den ganzen Tag mit Samthandschuhen an, ganz besorgt um meinen Zustand. Zwei Polizisten kümmerten sich um mich und stellten nur behutsam ein paar Fragen.
    Näf und Bernasconi hatten noch in der Nacht gestanden, und die Polizei überliess mir ihre Aussagen, ich durfte sie lesen. Den Mord an Juri gab Bernasconi sofort zu, schon bei seiner Festnahme im Bad, und er sprach gleichzeitig von entwendetem Geld, mit dem er nichts zu tun habe. Später im Verhör kam das nicht mehr zur Sprache. Die Polizei hielt die Aussage für eine anfängliche Schutzbehauptung, mit der Bernasconi von den Erbschaftsbetrügen ablenken wollte. Ich las die ausführlicheren Vernehmungsprotokolle aus Bern.
    Offensichtlich hatte Tobias Bucher schon Wochen vor der Tat Bernasconi mit seinen Vorwürfen in Bedrängnis gebracht. Bernasconi hatte es mit Bestechung und mit Drohungen versucht, vergebens. Bis er, als seine Betrügereien endgültig aufzufliegen drohten, die Gelegenheit packte, Tobias loszuwerden. Das Gespräch über die geplante Velotour in der Kaffeepause, Bernasconi rief seine Schwester an, und gemeinsam organisierten sie die Tat. Bernasconi war Tobias gefolgt und hatte ihn von hinten mit einer Metallstange erschlagen, auf dem Steg unter der Autobahnbrücke. Dann die laute Auseinandersetzung, die von Spaziergängern gehört worden war, die Geschwister stritten sich, als Tobias’ Leiche bereits im Kofferraum lag, und sie nicht wussten, wie weiter. Als es dunkel war, schafften sie die Leiche zur Kanderbrücke und warfen sie ins Wasser. Anschliessend fuhr Bernasconi ins Erbschaftsamt, wo er den Abschiedsbrief verfasste und ihm ein Erinnerungsfoto aus Tobias’ Schreibtisch beilegte. Den Brief deponierte er noch in der gleichen Nacht in Buchers Briefkasten, während Katrin Näf das Fahrrad zur Kanderbrücke brachte. Die Brücke, die ich alleine besucht hatte und bei der mir zum ersten Mal das kleine weisse Auto aufgefallen war. Ich selbst hatte mich Bernasconi und Näf geradezu auf dem Servierteller präsentiert mit meinen unvorsichtigen Nachforschungen.
    «Tobias Bucher fiel auf, dass an gewissen Erbschaften etwas eigenartig war, und zwar immer bei Personen ohne Nachkommen», erklärte der Polizist, der mir das Geständnis zum Lesen gegeben hatte. «Erbschaftsfälle, in denen Bernasconi etwas zu gegenwärtig war, Bernasconi nahm die Testamente entgegen und so weiter und so fort. Nicht unzählige Fälle, so viele Personen ohne Nachkommen gibt es selbst in einer Stadt wie Bern nicht. Aber einige, über die Jahre verteilt. Bucher ging dem nach und wollte wissen, wer jeweils profitiert hatte. Bernasconi wurde vermutlich zum Verhängnis, dass er seine Halbschwester begünstigte, auch wenn sie nicht den gleichen Namen trugen. Die Betrüge liefen zuerst über eine Freundin und deren Tochter – da war es schwieriger, die Beziehung zu Bernasconi aufzudecken.»
    «Aber wie ist es ihm gelungen, die Testamente zu fälschen?», erkundigte ich mich.
    «Einem grafologischen Gutachten hätte keines der Testamente standgehalten. Aber Bernasconi machte sich zu Nutzen, dass die Testamente, weil keine Erben da waren, von niemandem genauer angeschaut wurden. In seiner Position hatte er alle Möglichkeiten, sich umfassend zu informieren über die Verwandtschafts-und Besitzverhältnisse der Personen. Er konnte sich Fälle aussuchen, bei denen wenig Risiko bestand.»
    «Trotzdem, dass das möglich ist?»
    «Wie gesagt, im Detail wissen wir noch nicht alles, und es scheint verschiedene Wege gegeben zu haben. In mindestens einem Fall hat er ein hinterlegtes Testament abgeändert, andere Testamente hat er nachträglich, nach dem Tod der Person, ins System eingeschleust. Die Testamente werden elektronisch erfasst, auf den Namen der Person. Wie ihm das gelungen ist, weiss ich nicht. Ich frage mich auch, wie er es schaffte, für so vieles selber zuständig zu sein, auch das wird er uns noch erzählen müssen. Immerhin besteht das Erbschaftsamt aus verschiedenen Abteilungen.»
    «Gab es nicht in Österreich einen ähnlich gelagerten Fall? Testamente wurden während Jahren gefälscht und abgeändert, sodass sie zugunsten von Beamten ausfielen?»
    «Ja», antwortete der zweite Polizist, der bisher schweigend daneben gesessen hatte, «wir nehmen an, dass sich Bernasconi vom Testamentsskandal in Vorarlberg inspirieren liess. Nur war die Sache dort viel grösser angelegt, eine Richterin, Beamte des Grundbuchamtes, Anwälte, sie alle scheinen involviert gewesen
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