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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde
Autoren: Barbara Lutz
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vielleicht ein Fehler gewesen. Aber dann hatte ich die Idee mit Leukerbad gehabt. Bernasconi an den Ort des Geschehens locken, das war die beste Taktik. Er würde sich verraten, irgendetwas würde ihn entlarven, davon war ich überzeugt.
    Obschon mir unter dem zu warmen Sweatshirt der Schweiss den Körper hinunterlief, fröstelte ich. Der Schwimmer stemmte sich über den Beckenrand und verschwand mit ein paar Schritten im Gang. Ich blieb allein in der Halle zurück. Draussen schien eine gleissende Sonne. Bis auf ein sanftes, leises Plätschern war es still. Ich wartete darauf, dass meine Angst verging.
    Bernasconi hatte ich heute in aller Frühe erreicht. Er hatte meiner Aufforderung, sich mit mir zu treffen, sofort zugestimmt, als ob er sie erwartet hätte. Ohne Fragen zu stellen. Ausser, dass er wissen wollte, ob er es mitbringen sollte. Ich hatte nicht darauf reagiert, weil ich die Frage nicht verstand. Was wollte er mitbringen?
    Pereira war ein härterer Brocken gewesen. Aber schliesslich hatte in seinen Abwägungen die Möglichkeit, sich für immer zu rehabilitieren, überwogen. Natürlich wollte er sich diesmal absichern. Ich musste die Sache so aufgleisen, dass auf ihn nicht der geringste Verdacht fallen konnte.
    Ich erhob mich. Es musste sein. Ich kannte den Ort, ich wusste, wie vorgehen. Das Treffen würde heute Abend stattfinden, im leeren Bad.
    Den Rest des Nachmittags und den frühen Abend verbrachte ich im gleichen Restaurant, in dem ich damals auf Pereira gewartet hatte. Nur war es für einen Tisch auf der Terrasse inzwischen viel zu kalt, und Appetit hatte ich natürlich auch keinen. Viel später am Abend traf ich mich mit Pereira in einer Bar. Umständlich deponierte er seine schwarze Jeansjacke auf dem Bartresen. Er hatte sich geweigert, mir den Schlüssel zum Bad zu überlassen, aber eingewilligt, ihn sich öffentlich stehlen zu lassen. Deshalb benahmen wir uns etwas auffällig, Pereira wollte, dass sich die Leute später an uns erinnern würden. Als er auf die Toilette ging, holte ich wie abgemacht den Schlüssel aus seiner Jackentasche, dann insistierte ich auffallend plötzlich darauf, sofort zu bezahlen, und verliess, indem ich ein paar Leute anrempelte, die Bar. Der Barkeeper und einige Besucher würden meinen abrupten Abgang während Pereiras Abwesenheit bestätigen können.
    Das Bad, das jetzt im Dunkeln lag und völlig verlassen wirkte, war unheimlich. Mit einer Taschenlampe tastete ich mich durch die Gänge bis zum Schwimmbecken, an dem ich mich mit Bernasconi verabredet hatte. Gemäss Pereiras Anweisung setzte ich mich in einen Winkel, der von aussen nicht einsehbar war. Für Strassenkleider war es hier viel zu heiss, wie schon am Nachmittag zog ich den Trainingsanzug an. Dann platzierte ich eine kleine Filmkamera, kaschiert von einem Handtuch, auf einem Ablagebrett und richtete sie auf die Liegestühle. Ich würde Bernasconi filmen während unserer Unterhaltung, ich würde seine verdächtigen Reaktionen aufzeichnen.
    Nun gab es nichts mehr zu tun, als zu warten. Wieder setzte ich mich auf einen der Liegestühle. Die kleine Pistole, die ich in der Bauchtasche des Sweatshirts umklammert hielt, fühlte sich feucht an. Als meine Uhr halb elf zeigte, stand ich auf, um die Kamera anzustellen. Die Linse war mit kleinen Wassertropfen übersät, die ich wegzuwischen versuchte. Ich bezweifelte, dass die Aufnahmen etwas hergeben würden, aber ich konnte es nicht mehr ändern.
    Er sah harmlos aus, als er kurz vor elf aus dem Gang trat. Ich hatte ihn nicht kommen hören. Bernasconi wirkte schwammig und kraftlos in seiner aus der Form geratenen, türkisblauen Badehose und mit den Plastikschlappen an den Füssen. Die Goldrandbrille hatte sich in der feuchten Hitze beschlagen, und er trat unsicher auf. Über die Schulter trug er eine weissblaue Sporttasche aus Plastik.
    Vorsichtig kam er auf mich zu und sah sich im Raum um, wie wenn er nicht mich oder noch andere Leute erwartet hätte. Wir begrüssten uns, höflich wie Badegäste, die sich früher schon flüchtig begegnet sind. Zögernd nahm er rechts von mir Platz. Er sass auf der Kante seines Liegestuhls. Auf den Knien vor sich hielt er die Sporttasche. Es war nicht Feindseligkeit, was mir entgegenkam. Er sah verängstigt aus, unterwürfig und gleichzeitig lauernd.
    Ich wusste nicht, wie mit dem Gespräch beginnen, und versuchte, in meinem Liegestuhl Haltung anzunehmen, was schwierig war. Inzwischen war ich schweissnass. Schlimmer war, wie leer sich
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