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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde
Autoren: Barbara Lutz
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mein Kopf anfühlte.
    «Was haben Sie mit Juri Salnikow gemacht?»
    Ich hatte bessere Fragen vorbereitet, Fangfragen. Sie fielen mir nicht ein.
    Bernasconi glotzte mich aus leeren, durch die Brille vergrösserten, wasserblauen Augen an und antwortete nicht.
    «Wie haben Sie Juri umgebracht? Sagen Sie mir, wie Sie Juri umgebracht haben!»
    Sein Parfum, dieser süssliche Geruch, hinderte mich am Denken, dann die blöden Glubschaugen, mit denen er mich anstarrte. Ich konnte keine Spur von Schuldbewusstsein erkennen, höchstens Verwunderung. Wie wenn er sich nicht recht entscheiden könnte, ob das kleine Mädchen vor ihm nur lästig war. Oder ob er doch besser antworten sollte. Dazu die kleinen, gepflegten, aber verfetteten Hände, mit denen er krampfhaft die Sporttasche hielt.
    Möglicherweise hatte er in dieser Tasche eine Waffe, aber ich würde schneller sein, rief ich mich zur Vernunft. Ich hielt die Pistole an meinem Bauch umklammert und richtete durch den Stoff hindurch den Lauf auf ihn, ohne zu wissen, ob er das wahrnahm. Hatte ich sie entsichert? Das Gespräch war daran, mir zu entgleiten.
    «Reden Sie!»
    Ich wuchtete mich aus dem Liegestuhl in eine aufrechte Haltung, sass nun wie er auf der Stuhlkante.
    Bernasconi kam mir zuvor.
    «Wird Perren nicht kommen?»
    «Perren? Wieso Perren? Das ist doch Ihr Freund.»
    Die Antwort war ein Fehler. Bernasconis Augen leuchteten auf, glitzerten. Ich merkte, wie in mir Angst hochkam. Ich sprang auf. Ich stand vor ihm, die Pistole in meiner Bauchtasche auf ihn gerichtet.
    Bernasconi war gänzlich unbeeindruckt, vielleicht hatte er die Pistole immer noch nicht bemerkt.
    «Perren kommt also nicht. Und die anderen auch nicht. Wollen Sie sagen, dass sie Sie geschickt haben? Sie allein?»
    Ich verstand seine Fragen nicht. Ich war fieberhaft damit beschäftigt, zu begreifen, wen er erwartet hatte. Dann nahm ich wahr, wie Bernasconi an mir vorbei nach hinten sah. Und hörte Schritte. Ich drehte mich um.
    Sie war sportlicher als ihr Bruder, gedrungen, aber weniger fett, in einem geblümten Badeanzug. Trotzdem schob sie einen beachtlichen Bauch vor sich her, der mir nicht aufgefallen war, als ich sie im blauen Parka gesehen hatte. Sie trug die gleichen Plastikschlappen wie ihr Bruder. Fast freundlich lächelnd, kam sie auf mich zu, während sie eine kleine Pistole auf mich richtete.
    «Sie gehört nicht zu ihnen», die Worte Katrin Näfs galten ihrem Bruder, «du hast es ihr doch nicht gegeben?»
    «Nein. Ich weiss. Sie gehört nicht dazu und sie ist allein.»
    Sie zwangen mich, vor ihnen her zur Dampfgrotte zu gehen. Sie zwangen mich, die Dampfgrotte zu betreten. Ich blieb knapp hinter der Tür auf der Treppe stehen, das heisse Wasser bedeckte meine Knöchel. Trotzdem sog sich die Trainerhose bis fast zu den Knien voll und klebte an meinen Beinen, sie fühlte sich schwer an. Bernasconi stand in der Tür, inmitten einer Wolke aus Dampf, die aus der Grotte nach aussen wich. Von hinten wurde er vom Licht einer Laterne hell angestrahlt. Eine selbstherrliche Richtergestalt aus einem billigen Fantasyfilm, umgeben von weissem Nebel.
    Natürlich hatte ich damit gerechnet, dass Näf auftauchen würde. Aber die Kamera und die Pistole würden mich schützen, hatte ich gedacht. Die Kamera fiel wohl weg. Aber ich hatte die Pistole. Näf war irgendwo draussen geblieben, ein paar Schritte vor der Grotte. Auch sie war bewaffnet. Aber ich hatte Pereiras Schlüssel. Sie konnten mich einsperren, aber ich hatte Schlüssel. Juri hatte keine Schlüssel gehabt. Und keine Pistole. Mit der Pistole konnte man Löcher in die Glastür schiessen. Am besten, ich liess mich einsperren, ohne mich zu wehren. Ich dachte das völlig kühl und rational. Ich dachte es ein paar Mal. Nur zu meinen Füssen im heissen Wasser, zu heiss oder zu kalt, hatte ich jeden Bezug verloren.
    «Du wolltest wissen, wie das mit Juri Salnikow war?», hörte ich Bernasconi selbstgefällig aus seiner Dampfwolke fragen, «mit Salnikow war es ganz einfach. Er ging nämlich freiwillig in die Grotte, er hat mich selbst auf die Idee gebracht, ihn hier einzusperren. Ich hätte es sonst anders gemacht, aber so war’s noch einfacher. Dabei habe ich vorher tagelang nach ihm gesucht, er war wie vom Erdboden verschluckt. Bis mir Perren sagte, er sei in Leukerbad. Perren hat mir alles erzählt, auch, dass er ein Treffen für die Russen organisieren musste, bei dem es keine Zeugen geben durfte. Ich habe sie gesehen, Juri und diese Russen. Ganz
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