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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde
Autoren: Barbara Lutz
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diesen beiden Fällen geerbt hatte. Näf wurde nicht mehr genannt, aber Bernasconi war geschieden, vielleicht gab es da eine neue Freundin, deren Namen ich nicht kannte, Stiftungen, Vereine, möglich war vieles. Und wieder Perren als Notar. Und in einem weiteren Fall AdFin als Käufer, dieses Mal für den abgewirtschafteten Hotelkomplex im Seeland. Ich musste mir das alles genauer ansehen, zu einem späteren Zeitpunkt. Wie es Tobias getan hatte, vermutlich gemeinsam mit Juri. Später würde ich das tun, für den Augenblick wusste ich genug.
    Bernasconi und Näf in dem kleinen weissen Auto. Sie waren mir gestern zur Brücke gefolgt, unter der Tobias gefunden worden war. Ich griff in meinen Beutel und holte die Arbeitshandschuhe heraus, die ich neben der Holzbeige gefunden hatte. Beton AG , Münsingen.
    Vielleicht hatte ich langsam Erfahrung damit, vielleicht war es mir einfach sehr wichtig. Jedenfalls war ich selbst beeindruckt von meiner kompetenten, klaren Stimme, die sachlich und knapp die nötigen Fragen stellte. Dazu sass ich, das Telefon ans Ohr geklemmt, an meinem Schreibtisch, das Notebook und einen Block vor mir, und ich machte mir Notizen.
    Bernasconi war wie erhofft noch nicht zurück im Erbschaftsamt. Ich gab mich als Sozialarbeiterin einer psychiatrischen Abteilung aus und sprach von einem unserer Patienten. Seit Wochen beschäftigte ihn ein verpasster Termin in einer Erbschaftssache. Er litt darunter und glaubte, etwas Wichtiges versäumt zu haben. Der Mann war verwirrt, stellte ich klar, er bildete sich das bestimmt nur ein. Aber, um korrekt zu handeln, wollte ich der Sache nachgehen. Stimmte es, dass er am, ich gab Tobias’ Todestag als Datum an, dass er damals einen Termin bei einem Herrn Bernasconi gehabt hätte, am späteren Nachmittag? Die Dame, ich stellte mir die nette ältere Frau vor und nicht ihre desinteressierte Kollegin, sah nach. Sie beruhigte mich. Herr Bernasconi hatte an diesem Nachmittag überhaupt keine Termine gehabt, er hatte sich sogar freigenommen. Ich bedankte mich.
    Für Frau Näf gab ich mich als Mitarbeiterin der Polizei aus. Ich rief bei der Beton AG in Münsingen an und fragte nach ihr. Es ging um Zeugen für einen Unfall, ohne Personenschaden, wie ich betonte. Ein Unfall, der, wieder an Tobias’ Todestag, am späteren Nachmittag in der Nähe von Biel geschehen war. Jemand hatte sich die Autonummer einer möglichen Zeugin notiert. Leider war eine Zahl so undeutlich geschrieben, dass ich gezwungen war, zehn verschiedene Autohalter anzurufen. Auch Frau Näf war natürlich noch nicht zurück auf ihrer Arbeit. Ich bat ihre Kollegin um Hilfe, um weitere unnötige Anrufe zu vermeiden. War es denn überhaupt denkbar, dass sie an diesem Mittwochnachmittag in Biel war, wo sie doch in Münsingen arbeitete? Netterweise holte auch diese Dame die Agenda hervor. Möglich war es schon, denn Frau Näf hatte an diesem Nachmittag nicht gearbeitet.
    So viel zu den Alibis. Ich bückte mich und griff nach Perrens Agenda aus seinem Hotelzimmer, die ich inzwischen in einer der Schreibtischschubladen aufbewahrte. Wenn der Eintrag stimmte, war Perren damals in England. Aber es brauchte ja auch nicht drei, um jemanden von einer Brücke zu stossen.
    Ich wusste nicht, was überwog. Trauer oder Triumph. Oder Angst. Und Juri? Was war eigentlich mit Juri geschehen? War ich mit meinen Verdächtigungen gegen Gussew einer völlig falschen Spur gefolgt?

35
    Die Luft war heiss und feucht. Die viel zu warme Trainerhose klebte an meiner Haut, und ich schwitzte. Ich sass in einem Liegestuhl am Beckenrand und wartete. Ein älterer Mann mit Schwimmbrille und rotweisser Badekappe zog im Becken seine Runden, langsam und beharrlich. Seine kräftigen Bewegungen lösten Wellen aus, kleine Tsunamis, die sich über den Beckenrand ergossen. Ihr Platschen vervielfältige sich im Raum, Detonationen in einem sonst konstanten Rauschen. Die Hitze, die Geräusche des Wassers, dazu der wenige Schlaf, mein Kopf war wie in Watte gepackt. Blöderweise hatte ich Angst.
    Den Schritt, nach Leukerbad zu kommen, hatte ich mir lange überlegt, sehr lange. Den ganzen gestrigen Nachmittag und auch die Nacht hatte ich in meinem Büro zugebracht, mich gewälzt in Zweifeln, Ideen gehabt und wieder verworfen. Jetzt, wo ich so weit gekommen war, musste ich wissen, was mit Juri und auch mit Tobias passiert war. Ich musste wissen, ob Bernasconi sie umgebracht hatte. Die Flasche Wodka, die ich mir gestern Abend irgendwann besorgt hatte, war
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