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Die Makler-Mafia

Die Makler-Mafia

Titel: Die Makler-Mafia
Autoren: Stefan Wolf
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1. Düstere
Vorzeichen
     
    Regen prasselte in dicken
Tropfen zur Erde herab. Der Himmel hing an diesem unheilvollen Herbsttag voller
dunkler Wolken, die jeden Lichtstrahl schluckten. Obwohl es erst früher Mittag
war, kamen sich die wenigen Anwesenden, die allesamt schwarz gekleidet waren
und sich unter Schirmen zusammenkauerten, wie in tiefster Nacht vor. Und so
fühlten sie sich auch: traurig, leer und schwer. Der Pfarrer hielt mit lauter
Stimme die übliche Grabesrede und musste aufpassen, dass ihn der Wind, der über
den Friedhof fegte und gegen den er sich zuweilen stemmte, nicht selbst ins
offene Grab beförderte.
    »Asche zu Asche, Staub zu
Staub.« Der Geistliche warf eine Handvoll Erde nach unten auf den nassen Sarg,
die sich sofort in ein schlammiges braunes Rinnsal verwandelte, das links und
rechts den Sarg hinunterlief.
    Am Rande des Grabes stand
Klößchens Oma, Rosalinde Sauerlich, unter einem Regenschirm und schluchzte in
ein mit Spitze besetztes Stofftaschentuch. Die alte Dame strahlte trotz ihres
hohen Alters eine Eleganz und Würde aus, die man nicht erlernen konnte, sondern
die ihr in die Wiege gelegt worden sein musste. Zu Klößchens Vater Hermann
Sauerlich war sie als kleiner Junge zwar streng, aber auch immer gerecht
gewesen. Von antiautoritärer Erziehung hielt sie gar nichts. Dennoch war sie
auch eine lebensfrohe Frau und wusste, wie man zur rechten Zeit feierte und
auch mal über die Strenge schlug. Hermann Sauerlich und Klößchen hatten ihren
Hang zu gutem Essen von ihr geerbt. Nicht allerdings ihre Gene, denn anders als
ihr Sohn und Enkelsohn hatte sie nie Probleme mit ihrem Gewicht gehabt.
Trotzdem konnte sie den Gesundheitstick von Klößchens Mutter nicht verstehen,
die in ihren Augen etwas übertrieb. Rosalinde Sauerlichs dezentes Make-up war
verlaufen, und man wusste nicht, ob es wegen des Regens oder der Tränen war.

    Keiner hatte mit diesem
schrecklichen Unglück gerechnet, obwohl Isolde Mischok-Knechtmann schon knapp
über 80 war. Jetzt blieben nur noch drei übrig und die beweinten ihre gute
Freundin.
    Links an Rosalindes Arm hatte
sich Kiki von Manteuffel eingehängt. Kiki sah mit ihrem roten krausen Haar, das
in alle Richtungen stand, wie eine moderne Hexe aus. Sie trug zwar auch schwarz
wie die anderen, hatte aber einen knallroten Schal um den Hals gewickelt. Mit
steinerner Miene stand sie da, ihr Gesicht einer Porzellanpuppe gleich, so
bleich war sie. Man konnte ihr Alter nicht wirklich erraten. Sie gehörte zu
jenen Frauen, die nicht zu altern schienen. Dabei lagen ihr
Schönheitsoperationen und der ganze Jugendlichkeitswahn so fern wie der
Nordpol. Manche schätzten sie auf Mitte 60, andere mutmaßten, dass sie viel
älter sein müsste. Kiki äußerte sich dazu nie, denn sie empfand die Diskussion
um das Alter als völlig unsinnig. Außerdem war sie eine Frau, die sich aus den
neusten Moden nichts machte. Sie blieb ihrem exzentrischen Kleidungsstil schon
seit Jahren treu, der in quietschbunten indischen Kaftanen und
Chiffon-Flatterkleidern seinen Ausdruck fand und sie so leichtfüßig wie ein
Schmetterling aussehen ließ. Heute blitzte nur ein Farbklecks unter dem Saum
ihres bodenlangen, dunklen Mantels hervor.
    Rechts von Rosalinde Sauerlich
stand in sich zusammengesunken Elsbeth Trudemann. Die etwas klein geratene,
füllige, alte Dame klammerte sich an den Arm von Klößchens Oma wie an einen Rettungsanker
und schluchzte Bäche von Tränen.
    Ein Blitz erhellte für einen
kurzen Moment den Himmel, kurz darauf krachte es donnernd. Die Trauernden, die
nacheinander um das Grab gingen und Erde auf den Sarg warfen, zuckten zusammen.
Rosalinde Sauerlich schaute nach unten in die feuchte Grube und betrachtete
nachdenklich für einen Moment das große Blumengebinde auf dem glänzenden,
nassen Sarg. War sie als Nächste an der Reihe? Sie wischte den Gedanken
beiseite und stapfte weiter durch die matschige Erde, in der sich kleine
Wasserbäche ihren Weg bahnten. Hinter dem gusseisernen, kunstvoll
verschnörkelten Eingangstor des Friedhofes, der an eine Parkanlage grenzte und
am Rande des Villenviertels lag, standen drei große Eichenbäume. Wenn die Sonne
schien, spendeten sie mit ihrem Blattwerk großzügig Schatten, zu dieser
Jahreszeit jedoch und bei diesem Unwetter sahen sie wie drei bedrohliche
Riesenkraken aus, die mit tausend Armen nach einem griffen. Rosalinde
Sauerlichs Blick wanderte dorthin und für einen Moment glaubte sie zwischen den
Bäumen schemenhaft eine dunkle
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