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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde
Autoren: Barbara Lutz
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zu sein. Bei Bernasconi handelt es sich um einen Einzeltäter.»
    Als er das sagte, erkundigte ich mich nach Perren und erfuhr, dass er noch nicht verhört worden war. Die Polizei sei erst am Anfang ihrer Nachforschungen, wurde mir gesagt. Man hielt es nicht für unmöglich, dass Perren seine Anwaltspflichten verletzt hatte. Ihm hätte doch etwas auffallen müssen. Für einen Notar eine schwerwiegende Sache, um die sich der Notariatsinspektor zu kümmern hatte. Vorläufig interessierte sich die Polizei vor allem für die Morde. Was sie am meisten zu beschäftigen schien, war, dass Tobias’ Tod bei ihnen als Selbstmord durchgegangen war.
    Das geringe Interesse an Perren enttäuschte mich schon. Und AdFin als Käufer von Liegenschaften? Ausserdem hatte es ja auch die Einbrüche bei Juri und bei mir gegeben. Waren sie nicht interessiert an deren Aufklärung? Den ganzen Tag über fragte ich mich, wo Ricklin steckte. Ich erkundigte mich bei den beiden Polizisten, nicht nach Ricklin natürlich, sondern nach der Aufklärung der Einbrüche.
    «Da wüsste Ricklin Bescheid», meinte der eine zum anderen, «weisst du, wo der ist?»
    «In den Ferien», war die Antwort. Ich erfuhr, dass Ricklin auf Teneriffa war, und zwar allein. Eine Familie schien es nicht zu geben.
    Wirklich geschockt war ich, als ich mich nach AdFin und nach Gussew erkundigte. Die beiden Beamten wussten gar nicht, von wem ich sprach. Es lag um Tage zurück, dass ich, gemeinsam mit Alexandre Pereira, der Polizei alle nötigen Angaben zu Gussew, zum Stick und zu den beiden fremdländischen Männern im Bad gemacht hatte. Offensichtlich war man der Sache noch nicht nachgegangen. Schuld daran war, mindestens zu einem Teil, dass Dubach, der Tramper, nicht aus Frankreich gekommen war. Er hatte sich nicht bei der Polizei gemeldet.
    Mir zuliebe, damit ich Antworten auf meine Fragen erhielt, riefen die Polizisten einen weiteren Kollegen herbei. Ich hatte den jungen Mann in Uniform noch nie gesehen, aber er kannte meine und Pereiras Aussagen zu den Russen. Unsere Vermutungen bezüglich einer möglichen Täterschaft seien ja nun offensichtlich falsch gewesen, meinte er. Denn, falls Juri tatsächlich vor irgendwelchen Russen Angst gehabt hatte, so stand das, wie man jetzt wusste, in keinem Zusammenhang zur Tat.
    Ich erfuhr, dass die Polizei heute Vormittag im Rahmen der Ermittlungen ein höfliches Gespräch mit Gussew geführt hatte. Gussew hatte verneint, Juri Salnikow persönlich gekannt zu haben. Den USB -Stick hatte er als sein Eigentum wiedererkannt und ausgesagt, er hätte ihn vor längerer Zeit verloren. Laut Gussew war der Stick, der private Erinnerungsfotos enthielt und ihm deshalb sehr wichtig war, wohl zufällig von Juri gefunden worden. Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft hatte die Polizei Gussew den Stick ausgehändigt, den sie als nicht relevant für den Mord ansah.
    «Und die Russen, die Dubach, der junge Tramper, im Bad gesehen hat?»
    Der uniformierte Beamte musste zuerst im Dossier blättern, bevor er mir antworten konnte. «Wir haben da Ihre Aussage, dass Ihnen das von diesem Dubach erzählt worden sei. Eine direkte Zeugenaussage haben wir nicht. Das ist wenig, und ausserdem ist es momentan von untergeordneter Bedeutung. Sie sagen, es waren noch zwei Männer im Bad. Das ist gut möglich, dass Juri am Anfang nicht allein, sondern in Gesellschaft ins Bad ging. Solche Details werden Teil unserer Ermittlung sein. Aber glauben Sie denn, das waren Mittäter? Zweifeln Sie an der Schuld von Bernasconi? Bernasconi hat ja selbst gesagt, dass Juri zum Tatzeitpunkt allein war. Wir haben sein Geständnis.»
    Nein, ich glaubte nicht an Mittäter, nur an weitere Verbrechen, an andere Verbrechen. Aber ich sagte nichts, ausser dass ich Kopfschmerzen hätte. Meine Aussagen hatte ich längst gemacht, und ich durfte gehen.
    Die schwere Eichentür des Polizeigebäudes war noch nicht hinter mir ins Schloss gefallen, als ich Lisa anrief. Ich erzählte ihr von der Aufklärung der beiden Morde und dass die Polizei nicht gegen Gussew ermittelte. Dass die Polizei ihm sogar den Stick zurückgegeben hatte.
    Sie fluchte, sie fluchte so lange, dass ich schon fast vorne bei der Tramhaltestelle war, bis ein Gespräch mit ihr möglich wurde. Das Problem bestand darin, erklärte sie mir, dass damit auch ihre Kopie des Sticks unbrauchbar geworden war. Ihre Kopie war illegal, und sie hätte, im Verwendungsfall, auf das Original zurückgreifen müssen. Auf ein Original, das sich
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