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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut
Autoren: Anne Chaplet
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ersten Mal begegnete: Alma sah aus wie eine russische Mamotschka, es fehlte nur das Kopftuch. Sie war klein, rund wie ein Kegel und trug einen bodenlangen, schweren Faltenrock, ähnlich denen, die die alten Frauen in den Gegenden tragen, wo man an Kirchweih noch Tracht anlegt. Das stark geschminkte Gesicht und die auffälligen Schmuckstücke um Hals und Handgelenke paßten nicht zu dem biederen Gewand.
    »Kommen Sie rein in unsere malerische Residenz.«
    Im Flur war es düster; es roch nach Essen. Alma öffnete die Tür zu einer Art Wohnküche. Der Raum war überheizt, im Backofen brutzelte irgend etwas und unter dem Fenster bullerte ein schwarzer Kanonenofen. Eine Frau saß auf einem durchgesessenen Sofa und starrte konzentriert auf einen Laptop. Zu ihren Füßen räkelte sich eine riesige schwarze Dogge. Das Tier hob den Kopf, schien sich nicht entscheiden zu können, ob es gähnen oder knurren sollte, und ließ ihn wieder fallen.
    »Das ist Frau Dr. –«
    »Cavic«, sagte Katalina. »Praktische Tierärztin. Ohne Doktor.«
    »Also die neue Veterinärin«, sagte der hagere Mann, der beim Herd gestanden hatte und sich nun neben die Frau auf dem Sofa setzte. »Willkommen auf Schloß Blanckenburg.«
    »Die unhöflichen Herrschaften auf dem Sofa sind übrigens Sophie Franken und Peer Gundson«, sagte Alma und wandte den beiden den Rücken zu. »Meine jüngste Schwester und ihr – Lebensgefährte.« Die Frau mit dem Laptop hob den Kopf, sah blicklos in Katalinas Richtung, nickte und senkte den Kopf wieder. Peer Gundson hob eine Hand und winkte matt.
    »Es fehlt noch Erin, das ist die mittlere von uns dreien. Verheiratet mit Alex.«
    Nanu, dachte Katalina. Kemper sah nicht nach Ehemann aus.
    »Und meine Tochter Noa. Wo ist der Satansbraten?«
    Alle guckten zur Tür. Aber es war Alex Kemper, der einen Schwall kühler Luft, ihre Arzttasche und einen mürrischen Gesichtsausdruck in die stickige Küche brachte.
    »Es stinkt«, sagte er. »Kann es bei uns nicht dieses eine Mal, wenn wir schon mal einen Gast haben, etwas kultivierter zugehen?« Er ließ die Tasche fallen.
    Die Frau mit dem Laptop klappte ihr Gerät zu und blickte kurzsichtig in die Runde. Alma begann geräuschvoll den Tisch zu decken. Und Katalina wünschte sich weit fort.
    Dennoch folgte sie der unausgesprochenen Einladung, sie hatte Hunger. Alle setzten sich – bis auf Sophie Franken, die nervös abwinkte. Kemper schob seinen Teller schon nach den ersten Bissen von sich.
    »Geht’s uns so schlecht, liebe Alma, daß wir diesen Schweinefraß hier essen müssen?«
    »Du weißt, wie es uns geht«, sagte Alma mit leidender Miene. »Gut, daß uns Frau Cavic demnächst allmonatlich ihre Miete vorbeibringen wird. Dann können wir uns deinen vorzüglichen Geschmack vielleicht wieder leisten.«
    Peer Gundson, der bei Kempers Bemerkung aufgestanden und hinausgegangen war, kam zurück mit einer Flasche in der Hand. Verlegen lächelnd sah er Katalina an und goß ihr, als sie nickte, ein.
    Alex prostete ihr zu. Im Unterschied zu den anderen hatte sie mit Appetit gegessen. »Als Tierärztin scheint man einen guten Stoffwechsel zu haben«, sagte er mit Blick auf ihren Teller. Sie sah auf. Alle schienen auf ihren Teller zu starren. Katalina starrte zurück. Ich weiß, was Hunger ist, dachte sie und hob das Glas.
    Der Rotwein schmeckte schwer und würzig und ließ sie an gefüllte Heuschober und an ihre Großmutter denken, wie sie mitten im heißesten Sommer in der Küche stand und Marmelade aus schwarzen Johannisbeeren einkochte.
    »Solange wir noch was im Keller haben«, sagte Alex und prostete in die Runde. »Und wer weiß – vielleicht werden ja doch noch alle Wünsche wahr.«
    Alma nahm einen Schluck und stellte das Glas dann wieder ab. Sie hatte die schwarzen Augenbrauen zusammengezogen und blickte in die Runde. »Sollten wir nicht doch – nach anderen Möglichkeiten Ausschau halten? Ich meine – das Projekt mit dem Golfhotel war vielleicht übertrieben, aber –«
    »Es ist vor allem gescheitert, liebe Alma«, sagte Peer Gundson.
    »Ich finde, wir sollten Geduld haben«, sagte Sophie, die noch immer neben ihrem leise schnarchenden Hund saß. Ihre Stimme zitterte vor Nervosität.
    »Aber das eine schließt doch das andere nicht aus! Ich meine, bevor wir das Schloß weiter verfallen lassen müssen … Viel Zeit ist nicht mehr!«
    »Diesen Sommer hält es noch durch!« Alex Kemper klang bestimmt, aber Katalina war der kurze Seitenblick hin zu ihr nicht
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