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Der siebte Turm 06 - Der violette Sonnenstein

Titel: Der siebte Turm 06 - Der violette Sonnenstein
Autoren: Garth Nix
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KAPITEL EINS
     
     
     
    Tal kam sehr langsam und immer nur für kurze Zeit wieder zu Bewusstsein. Das erste Mal dauerte es nur ein paar Sekunden. Er spürte, dass er kopfüber von jemandem oder etwas getragen wurde, wobei sein Gesicht beinahe am Boden schleifte. Dann wurde ihm wieder schwarz vor Augen. Als er das zweite Mal zu sich kam, versuchte er, seine Hände zu bewegen, was ihm aber nicht gelang, weil sie hinter seinem Rücken gefesselt waren. Ihm war schlecht und er musste sich übergeben. Irgendjemand stieß angewidert einen Schrei aus und versetzte ihm einen Schlag. Wieder wurde es dunkel um Tal. Als er zum dritten Mal wieder zu Bewusstsein kam, dauerte es recht lange, bis er herausgefunden hatte, wo er sich befand. Es war noch immer dunkel, jedoch nicht so pechschwarz wie draußen auf dem Eis, außerhalb des Schlosses. Nicht weit entfernt sah er das konstante Licht eines Sonnensteins. Seine Arme waren nicht mehr gefesselt, doch als er sie ausstreckte, traf er gegen ein Hindernis. Er versuchte aufzustehen, schlug sich aber den Kopf an. Er versuchte die Beine auszustrecken, doch es ging nicht.
    In gebückter Haltung tastete Tal den Bereich über seinem Kopf ab. Seine Hände glitten sofort über glatten Kristall, der sich bogenförmig nach unten erstreckte.
    Er befand sich in einer Kugel. Einer Kristallkugel.
    Tal kannte nur eine solche Kugel. Er spürte, wie Angst in seinen Magen fuhr und ihm einen kalten Schauder den Rücken hinab jagte.
    Er war in der Bestrafungskugel im Saal der Albträume gefangen.
    Tals Augen gewöhnten sich langsam an das matte Licht. Er konnte jetzt den Umriss der Kugel um ihn herum sehen. Dahinter erkannte er die silbernen Ständer mit den Sonnensteinen darauf, die die Albtraum-Maschine steuerten. Die Steine waren im Augenblick dunkel und die Maschine schwieg.
    Tal hörte, wie sich eine Tür scharrend öffnete. In der Entfernung flammte ein einzelnes Licht auf und wurde heller. Es stammte von einem Sonnenstein – einem Sonnenstein in der Hand eines Mannes, der von allen Erwählten gefürchtet wurde. Ein Mann, dessen Name von Erwählten Eltern genannt wurde, um ihren aufmüpfigen Kindern Angst einzuflößen.
    Fashnek.
    Halb Mensch, halb Schatten. Meister des Saales der Abträume. Ein großer, beinahe skelettdünner Mann, dessen lange, schwarze Haare wie unbändige Tentakel zu beiden Seiten seines Gesichts herabhingen. Von seiner linken Schulter bis hinunter zu seiner Hüfte bestand Fashnek aus Schatten. Vor langer Zeit hatte irgendetwas seinen Arm und einen Großteil seiner Brust und seines Bauches herausgebissen. Nur sein Geistschatten hatte ihn am Leben erhalten, er war seitdem mit Fashneks Fleisch verwachsen. Vielleicht wäre das Resultat weniger Furcht erregend gewesen, wenn der Schatten zumindest eine annähernd humanoide Form gehabt hätte; doch dem war nicht so. Er war ein gewaltiges aenirisches Insekt mit sechs vielgliedrigen Beinen und einem ekelhaften, schlanken Kopf, der in einem blutegelartigen runden Mund endete.
    Fashneks Gang war eine Mischung aus Humpeln und Schlurfen. Zwei andere Geistschatten begleiteten ihn mit ein paar Schritten Abstand. Es mussten freie Geistschatten sein – eigentlich im Schloss verboten – denn es gab keinerlei Anzeichen von ihren Erwählten Meistern.
    Einer der Schatten war ein Urgelgurgel, eine Kreatur, die an einen riesigen, umgedrehten Pilz erinnerte. Das Biest hüpfte immer hin und her, überschlug sich manchmal oder faltete blitzartig seinen scheibenförmigen Körper zusammen. In Aenir gruben sich Urgelgurgels in den weichen Boden ein, sprangen dann über ihr Opfer, umschlossen es vollkommen und spritzten aus ihrem zentralen ,Stiel’ eine extrem konzentrierte Säure über ihre Mahlzeit. Auch als Geistschatten konnten sie eine ätzende Schattenflüssigkeit versprühen.
    Der andere Geistschatten war eine der humanoiden Kreaturen mit schmaler Taille und breiten Schultern, die von der Imperialen Garde bevorzugt wurden. Tal kannte den Namen nicht.
    Fashnek stolperte, als er auf die Kugel zukam, in der Tal gefangen war. Sowohl seine natürliche Hand als auch seine insektoide Schattenzange griffen nach einer der Traummaschinen und fingen seinen Sturz gerade noch auf. Fashnek richtete sich wütend auf und drehte sich mit grimmiger Miene zu den Geistschatten um.
    „Passt doch auf!“, rief er. „Und haltet Abstand!“
    Die Geistschatten zogen sich ein wenig zurück, obwohl der Sturz sicher nicht ihre Schuld gewesen war.
    Tal blieb
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