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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut
Autoren: Anne Chaplet
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Friesengespann hatte eine Runde um den Platz gedreht und kam jetzt zurück. Das Fell der Pferde glänzte, der Kötenbehang, die Fellstulpen um die Fesseln, und die unbeschnittenen Mähnen waren sauber gekämmt. Rotes Ledergeschirr, schwarze Kutsche – man hatte offenbar Geld und Geschmack. Als das Gespann vor ihr zu stehen kam, griff Katalina dem nervöseren der beiden Tiere ins Zaumzeug und murmelte »Polako, Polako.« Der Gaul reagierte, als ob er flüssig im Bosnischen wäre.
    »Ich weiß nicht, was mit ihr los ist«, sagte der Mann in Reitstiefeln und grüner Cordhose, der von der Kutsche sprang und ihr mit ausgestreckter Hand entgegenging. »Alex Kemper. Sind Sie –?«
    Das also war der Mann, der ihr beim letzten Telefongespräch versprochen hatte, sie abzuholen. Er schaute fragend. Was hatte er erwartet? Eine blonde Fee? Sie ließ die Hand in der Jackentasche.
    Verlegen lächelte er. »Sie müssen Katalina Cavic sein.«
    »Und Sie sind der Herr von Schloß Blanckenburg?« Ihre Handbewegung umfaßte Wagen und Gespann.
    Kemper verzog den Mund und lachte dann doch. »Ein Herr, der noch nicht einmal seine Pferde im Griff hat.« Er tätschelte den Hals des Wallachs, der ruhig dastand, während die Stute noch immer dampfend atmete. »Das hier ist Woodstock, und die nervöse Dame heißt Daphne.«
    Kemper verstaute das Gepäck und half Katalina mit übertriebener Galanterie in den Wagen. Kaum saß er selbst, gingen die Pferde los, als stünde der Große Preis von Niedersachen auf dem Spiel. Die wenigen Zuschauer tuschelten und grinsten.
    »Langsam!« Der Mann hielt die Zügel viel zu kurz. Sie hätte sie ihm am liebsten aus der Hand genommen. Aber nach einer Weile fielen die Tiere von selbst in einen lockeren Trab und nach wenigen Minuten hatten sie den tristen Vorort mit dem Bahnhof verlassen. Katalina lehnte sich aufatmend zurück und ließ den Blick über die Landschaft gleiten. Rostrote aufgebrochene Erde auf den Äckern. Dazwischen graugrüne Wiesen und verkrautetes Brachland, ein Tannenwäldchen in der Ferne, am Bachlauf verwehtes Gehölz.
    Kemper entspannte sich langsam. »Eigentlich wollte ich bei Ihnen Eindruck schinden«, sagte er. »Aber Friesen können zickig sein.«
    Das Ende der Verbindungsstraße kam in Sicht. Vor ihnen lag Blanckenburg-Stadt, genau da, wo das flache Land sich zu erheben begann und gemächlich dem höchsten Punkt des tannendunklen Gebirges zustrebte. Über dem Städtchen sah man das Schloß thronen. Blanckenburg schien sich zu ducken unter seinem gewaltigen Wahrzeichen.
    »Renaissance-Schloß seit dem 16. Jahrhundert, ab 1705 barock umgebaut. Die Burganlage selbst stammt aus dem 12. Jahrhundert«, sagte Kemper.
    Autos und Menschen strömten ihnen entgegen, während die Pferde die Hauptstraße entlang zogen. Die Stute ging im Gleichklang mit dem Wallach, ihre prächtigen Hinterteile wogten, die Köpfe mit den spitzen Ohren nickten, ab und an schnaufte eines der beiden Tiere. Nur Kemper wirkte verkrampft, er grüßte niemanden, obwohl man ihm zuwinkte und ihnen hinterhersah.
    Dafür lächelte Katalina in die Menschenmenge, als ob sie ihre Untertanen segnete. Es waren ihre künftigen Kunden, die Frau im Regenmantel, deren geschorener Pudel ein bunt gemustertes Deckchen trug, der Jugendliche in Schlabberhosen, der sich von einem energiegeladenen Malamud über die Straße ziehen ließ – und die Frau vor dem Schaufester einer Buchhandlung. Zum vornehmen Grau des edlen Weimaraners, der neben ihr stand, trug sie ein bodenlanges dunkelrotes Gewand und einen auffallend breitkrempigen Hut.
    In diesem Moment stieß Daphne ein markerschütterndes Wiehern aus und sprang vorwärts. Woodstock, überrumpelt, hielt nicht lange dagegen und schloß sich dem wilden Galopp an. Die Kutsche schlingerte über die Straße, fast wäre das Gespann mit einem entgegenkommenden Kleintransporter zusammengeprallt.
    Alex Kemper brüllte und zerrte an den Zügeln. Diesmal nahm Katalina sie ihm aus der Hand. Sie spürte fast im selben Moment, wie sie Kontakt aufnahm mit den beiden kraftvollen Kreaturen vor ihr, wie über eine Nabelschnur. Daphne schüttelte noch einmal schnaubend den Kopf, Schaumfetzen flogen nach rechts und nach links. Dann wurde sie ruhiger, und schließlich fielen beide Pferde wieder ins Schrittempo.
    Katalina atmete tief auf. »Was um Himmelswillen ist los mit den Gäulen?«
    »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir das erklären.« Kemper klang resigniert. »Es kommt aus heiterem Himmel.«
    Sie bogen
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