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Runen

Runen

Titel: Runen
Autoren: Elias Snæland Jònsson
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wurden. Von daher ist es eher unwahrscheinlich, dass er in der isländischen Bewegung mitgemischt hat. Aber noch mal, ich kann es nicht definitiv ausschließen.«
    »Aber er könnte sich die Uniform doch auch als Devotionalie gekauft haben, oder?«, erkundigte sich Melkorka.
    »Natürlich, das schon. Aber das erklärt keineswegs, weswegen er sich dazu entschlossen hat, in der Uniform zu sterben«, gab Njáll zu bedenken. Er war von kleiner Statur, untersetzt und hatte ein breites Gesicht, das Melkorka immer an die Zwerge in »Schneewittchen« erinnerte. »Mir scheint viel wahrscheinlicher, dass hier etwas ganz anderes dahintersteckt.«
    »Jeder Mensch wird zwei Mal zum Kind«, bemerkte Helga.
    »Meinst du damit, Höskuldur war dement?«, fragte Kári.
    »Opa schien ganz normal, als ich ihn im Hótel Borg traf«, widersprach Melkorka.
    »Trotzdem konnte er dir verheimlichen, dass er schwerkrank war und fest entschlossen, sich auf diese furchtbare Art umzubringen«, entgegnete ihre Mutter gelassen.
    »Ich hatte es leider ziemlich eilig, in die Nachrichtenredaktion |43| zu kommen«, verteidigte sich Melkorka. »Sonst hätte er mir vielleicht mehr erzählt und wäre noch am Leben.«
    »Ich glaube, dass ich seine mutmaßlichen Verbindungen zur SS in Deutschland noch genauer untersuchen sollte«, nahm Njáll den Faden wieder auf. »Die SS hatte mehrere Unterabteilungen. Von der berüchtigten Gestapo in der Allgemeinen SS bis zu den bewaffneten Mitgliedern der Waffen-SS, in denen unterschiedliche Nationalitäten vertreten waren. Es ist bekannt, dass sich während des Krieges einige Isländer diesen Gruppierungen angeschlossen haben. Die Namen der meisten von ihnen liegen vor. Einige haben sogar in Gesprächen oder Büchern von ihren Erfahrungen berichtet. Keiner von ihnen scheint aber jemals einen Höskuldur erwähnt zu haben, und das reduziert meiner Meinung nach die Wahrscheinlichkeit, dass er SS-Mitglied war. Ohne weitere Untersuchungen ist es aber wie gesagt nicht möglich, es völlig auszuschließen.«
    »Und der Ring?«, fragte Melkorka. »Hast du so einen schon früher mal gesehen?«
    »Ja, habe ich«, bestätigte Njáll. »Das ist ein Totenkopfring oder SS-Ehrenring. Der Reichsführer-SS Himmler ließ ihn anfertigen, um damit SS-Angehörige zu ehren, die in seiner ganz besonderen Gunst standen. Ich vermute, dass er viele Tausende solcher Ringe herstellen ließ.«
    »Viele Tausende?« Helga konnte es kaum glauben.
    »Ja. Du musst bedenken, die SS war kein kleiner Milchladen. Himmler hatte auf dem Höhepunkt seiner Macht knapp zwei Millionen bewaffneter Leute unter sich. Die SS war so etwas wie ein eigener Staat im Dritten Reich.«
    »Ein SS-Ehrenring also«, wiederholte Melkorka mit fragendem |44| Blick auf den Professor. »Könnte Großvater ihn nicht auch einfach irgendwo gekauft haben?«
    Njáll überlegte.
    »Wie heißt es so schön: Alles ist möglich. Und es ist nicht abzustreiten, dass diese Totenkopfringe nach dem Krieg gehandelt wurden. Aber ich halte es dennoch für ziemlich unwahrscheinlich. Der Name des Empfängers war immer zusammen mit dem Datum der Verleihung in den Ring graviert. Hier steht, dass dieser Ring einem H. Steingrim gehört. Das wird wohl die Abkürzung für Höskuldur Steingrímsson sein.«
    »Du glaubst also doch, Großvater war Angehöriger der Waffen-SS?«
    »Aller guten Dinge sind drei, wie das Sprichwort sagt.«
    »Was für drei Dinge?«
    »Der Ring, die Uniform, das Buch.«
    »Was hat das Buch mit der SS zu tun?«, fragte Helga.
    Njáll schloss das Notizbuch und strich vorsichtig mit den Fingern über das reliefartig erhöhte Symbol auf der Vorderseite des braunen Ledereinbands.
    »Hier steht es klar und deutlich«, antwortete er und las ihnen die Worte vor, die im Kreis um das blankgezogene Schwert geschrieben waren:
    DEUTSCHES AHNENERBE
    »Was ist das?«, fragte Melkorka, die kein Deutsch verstand.
    »Ahnenerbe bedeutet in etwa das Erbe der Vorfahren. Es war eine Einheit innerhalb der SS mit zahlreichen Mitarbeitern. Himmlers bevorzugte Abteilung, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Was haben die denn gemacht?«
    |45| »Alles Mögliche«, antwortete der Historiker. »Sie hatten außerordentlich vielfältige und unterschiedliche Aufgaben.«
    »Welche zum Beispiel?«
    »Beispielsweise intensive Runenforschung.«
    »So wie Großvater«, bemerkte Melkorka.
    Njáll nickte zustimmend.
    »Aber vieles andere, was die so getrieben haben, war nicht so harmlos.«
    »Was meinst du
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