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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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und fragte mit einem Taucher-Handzeichen, ob bei ihm alles in Ordnung sei. Leon bog Daumen und Zeigefinger zu einem O, um das Zeichen zu erwidern. Ja, alles okay. Jetzt schon.
    Kommst du zurecht?, fragte er Lucy und strich über ihre weiche Haut. Ich bleibe ganz nah bei dir.
    Zögernd löste sie die Arme von ihm, glitt zum Tauchboot und heftete sich mit den Saugnäpfen an eine geschützte Stelle der Außenhülle. Schwimm gut, schwimm weit!
    Bis bald . Erleichtert näherte sich Leon der Marlin und schlüpfte in die Schleuse, die sich für ihn öffnete. Nun kam der unangenehme Teil – einer der Gründe, warum er es nicht besonders mochte, ins Trockene zurückzukehren. Er deaktivierte seine OxySkin, was bedeutete, dass der Kreislauf der Flüssigkeit im Anzug stoppte. Für ein paar Momente konnte Leon jetzt nicht atmen, und er spürte, wie die Angst von vorhin wieder in ihm hochstieg.
    Ruhig, ganz ruhig. Gleich bist du so weit . Rasch trennte Leon mit einem Spezialwerkzeug die Anzughaut um seinen Kopf herum auf. Jetzt musste er nur noch die Flüssigkeit in seiner Lunge – einen Stoff namens Perfluorcarbon – loswerden. Auch nicht gerade angenehm. Er beugte sich vor und hustete und würgte die Flüssigkeit aus. Das »Fluo« – wie er und die anderen Taucher das Zeug nannten – klatschte in die Auffangschale und verschwand in einem Behälter. Leon rang nach Luft, japste, versuchte sich wieder mit dem fremden Element anzufreunden. Er hatte das Gefühl, dass es ihm jedes Mal schwerer fiel. Durch die Anstrengung verkrampften sich seine Halsmuskeln.
    Erschöpft streifte er sich den teuren Hightech-Tauchanzug herunter und löste vorsichtig dessen Verbindung zu der Kanüle in seiner Armbeuge. Zum Glück tat das nicht weh, außer wenn sich die Einstichstelle an seiner Vene mal wieder entzündet hatte. Leon rieb sich die kurzen, dunklen Haare mit einem Handtuch trocken und zog einen Overall mit ARAC-Logo über. Inzwischen konnte er auch wieder klar sehen; es dauerte immer ein paar Sekunden, bis seine Augen es schafften, sich auch ohne die automatischen Linsen des Anzugs scharf zu stellen.
    Das Erste, was er sah, war, dass die innere Schleuse des Tauchboots sich schon geöffnet hatte. Oh Mann, hatte etwa jeder beobachten können, wie er das Fluo ausgespuckt und sich fast komplett ausgezogen hatte? Patrick, dieser Bastard! Hätte er die Schleuse nicht geschlossen lassen können?
    Patrick grinste breit und zwinkerte ihm zu. Die anderen beiden Menschen im Tauchboot grinsten nicht, sie starrten nur. Eine dünne blonde Frau, die in einen von Patricks riesigen, echt neuseeländischen Wollpullis gehüllt war. Wahrscheinlich hatte sie vergessen, ein paar warme Sachen nach hier unten mitzunehmen. Neben der Frau saß ein Mädchen etwa in seinem Alter. Leon streifte sie mit einem kurzen, verlegenen Blick. Glatte honigblonde Haare, die ihr hübsches ovales Gesicht umrahmten, braune Augen. Vielleicht ein bisschen rundlich, besonders um die Hüften. Was machten die beiden hier, wollten sie etwa runter auf die Station? Es kam doch sonst nicht vor, dass irgendwelche Touristen bei ihnen vorbeischauten.
    »Hi«, sagte das Mädchen und lächelte ihn an.
    »Hallo«, sagte Leon und musste es dann noch einmal wiederholen, weil seine Stimme am Anfang immer etwas heiser und atemlos klang. Er fühlte, wie er rot wurde. Dass er immer noch in der Schleuse stand, bemerkte Leon erst, als Patrick dröhnte: »He, Octoboy, setz dich und mach’s dir bequem, wir fahren weiter. Alles in Ordnung mit dir?«
    »Äh, ja. Nicht viel passiert.« Das stimmte zwar nicht ganz, immerhin wäre er beinahe draufgegangen. Aber irgendwie war es nicht der richtige Zeitpunkt für eine dramatische Geschichte. Er konnte sie Ellard und den anderen immer noch erzählen, wenn er und Lucy daheim angekommen waren.
    Leon legte seine Flossen, die OxySkin und seinen Werkzeuggürtel in den Gepäckbereich. Dann zog er sich auf einen Sitz in der äußersten Ecke des Tauchboots zurück und war froh darüber, dass sich das Mädchen und die Frau, wahrscheinlich ihre Mutter, wieder auf den Blick durch das große vordere Bullauge konzentrierten. Leider gab es da draußen nicht viel zu sehen, nur das endlose Schwarz der Tiefe.
    »Wieso hat er dich Octoboy genannt?« Das Mädchen wandte sich zu ihm um. Ihr Englisch hatte einen eigenartigen Akzent, einen, der ihn an Tim erinnerte. Kam sie etwa auch aus Deutschland?
    »Ich arbeite mit einem Oktopus – einer Krake«, erklärte Leon verlegen. »Im
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