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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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Wasser zu atmen – schließlich machten das Fische und Kraken die ganze Zeit, mit ihren Kiemen nutzten sie den Sauerstoff im Meer. Ihm kam es viel seltsamer vor, Luft zu atmen, ein so dünnes Zeug, dass man richtig japsen musste.
    Etwas ringelte sich um sein Handgelenk. Lucy war wieder da. Schon bei dieser leichten Berührung spürte er die Kraft, die in den muskulösen Armen seiner Krake steckte – sie war um ein Vielfaches stärker als er. Auch ein Grund, warum er die Tiefe und die Dunkelheit nicht zu fürchten brauchte. Leon tastete nach Lucys Gedanken, spürte den Kontakt mit ihr wie eine freundliche Wärme, die ihn umhüllte. Und, was gefunden?, erkundigte er sich.
    Mein Freund, ein paar Krusten gibt es von hier nicht weit, da werden sie sich freuen!
    Leons Puls beschleunigte sich. Führst du mich hin?
    Ja, komm! Lucy berührte noch einmal seinen Arm, wies ihn in die richtige Richtung, und Leon schwamm, ohne zu zögern, in die Dunkelheit hinein. Er hatte nicht das Gefühl, hier blind zu sein – Lucys Augen, mehr als dreimal so groß wie seine eigenen und perfekt an die Tiefsee angepasst, sahen für ihn. Und für den Notfall hatte er immer noch die Navigationsfunktion an seinem DivePad, einem speziellen Tauchcomputer, den er am Handgelenk trug.
    Er zweifelte nicht daran, dass es tatsächlich Mangankrusten waren, die seine Krake gefunden hatte – wenn Lucy den Boden mit den Armen abtastete, konnten ihre Saugnäpfe die Stoffe des Bodens riechen und schmecken. Hoffentlich war es eine große Erzlagerstätte, die Lucy entdeckt hatte; sie brauchten dringend einen Erfolg. Das bisherige Feld JT-203 war schon fast ausgebeutet und die Anfragen der Zentrale wurden immer drängender, die Blicke des Projektleiters immer anklagender. Wieso findet deine Krake nichts?, hieß dieser Blick. Was machst du falsch, Leon?
    Bevor er es sich versah, war er schon dabei, sich in Gedanken zu rechtfertigen, und es kostete ihn Mühe, die lautlose Diskussion abzuwürgen. Das war ein Nachteil der Dunkelheit und der Stille hier unten. Es gab viel Raum zum Nachdenken, und wenn man nicht aufpasste, liefen die schlechten Gedanken Amok und vergifteten den ganzen Kopf.
    Neulich hatte er eine kleine Ewigkeit lang darüber nachgegrübelt, wieso jemand eine Plastikbox mit der Aufschrift Schokolade unter der Decke seiner Schlafkoje versteckt hatte. Erst hatte er gedacht, es könnte ein Geschenk sein, aber der Behälter war leer. Sollte das so eine Art Vorwurf sein, dass er zu viel Schokolade aß? Oder eine Racheaktion? Wenn Ellard, sein Ausbilder, das Ding zufällig gefunden hätte, wären ihm peinliche Fragen sicher gewesen. Die Rationen der jungen Taucher enthielten sorgfältig ausgewogene Nährstoffe, und die seltenen Lieferungen mit Süßigkeiten, die von der Oberfläche zu ihnen kamen, wurden streng kontrolliert. Aber wer auf der Station wollte ihm schaden? Sein Kumpel Julian bestimmt nicht. Vielleicht Billie? Sie war eigentlich sehr nett, aber neulich hatte sie ihn so seltsam von der Seite angeschaut. Oder Tom …?
    Algenschleim! Mach den aus deinem Kopf, schimpfte Lucy. Da sind wir, da!
    Jetzt musste Leon doch die Lampe einschalten. Ja, da waren sie. Aufgeregt blickte er sich um. Eine dicke graue Mangankruste überzog den Hang, es war ein ganz neues Feld. Das würde eine gute Ernte werden, dieses hässliche Zeug enthielt Metalle im Wert von vielen Hunderttausend Dollar: Mangan, Kobalt, Nickel und Platin. Metalle, die an der Oberfläche der Erde kaum noch zu finden waren.
    Leon zog Werkzeug aus seinem Gürtel und löste einen großen Klumpen aus dem Boden, der später in der Station analysiert werden konnte. Durch die hauchdünne Oberfläche seines Anzugs fühlte er das Gestein, als hielte er es in der bloßen Hand. Das ist ganz schön schwer, hilf mir doch mal!
    Hast du schlechten Fisch im Bauch?, stichelte Lucy. Soll ich dir einen guten fangen? Oder eine Meeresschnecke? Soll ich?
    Kannst du selber essen, Lästermaul , schickte Leon zurück. Los, jetzt pack schon mit an!
    Das tat sie dann auch, ringelte zwei ihrer rötlich braunen, dicht mit Saugnäpfen besetzten Arme darum und hob den Brocken mühelos in seinen Sammelbeutel. Leon schickte ihr einen lautlosen Dank und speicherte die Koordinaten seines Standorts auf dem DivePad. Zwanzig Meilen nördlich der größten Hawaii-Insel, die alle nur Big Island nannten.
    Dann war es Zeit, sich über die Ultraschall-Sprechverbindung zu melden; nach den nervigen letzten Wochen freute er sich schon auf
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