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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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eine gehörige Portion Lob und Dank.
    »Station Benthos II, Leon hier. Benthos II, bitte melden.« So zu sprechen wie an Land ging in der OxySkin nicht, doch das DivePad übersetzte seine Mundbewegungen in hörbare Sprache.
    »Leon – na endlich.« Es war Ellard und er klang gereizt. »Wie schön, dass du dich auch mal meldest. Und wieso bist du wieder so lang draußen geblieben? Zwei Tage sind das jetzt!«
    »Schon zwei Tage?« Leon heuchelte Überraschung. Sollten sie ruhig denken, dass einem hier unten das Zeitgefühl verloren ging.
    »Wir müssen reden, Leon, wirklich, so geht das nicht weiter. Es gefällt mir nicht, dass du sogar da draußen schläfst, das ist …«
    Langsam wurde das Gespräch unangenehm, wie so oft in letzter Zeit. Zum Glück hatte Leon diesmal einen Trumpf, den er ausspielen konnte. »Ach übrigens, Ellard – wir haben was gefunden …«
    Bingo. Ellard sprang sofort auf das Thema an. »Ein neues Feld?«
    »Ja, sieht gut aus. Wird uns wieder ein paar Wochen lang beschäftigen.«
    »Welche Tiefe?«
    »Etwas über achthundert Meter.«
    »Perfekt!« Leon hörte die Erleichterung in Ellards Stimme. »Glückwunsch! Soll ich ein Tauchboot schicken, das euch abholt?«
    Komm schon jetzt! Schwimmen wollen wir, schwimmen , drängelte Lucy . Oder Verstecken spielen bitte, bitte, jetzt!
    Heute nicht, leider. Leon wusste, dass sie sein ehrliches Bedauern spüren würde. In Gedanken zu lügen ging einfach nicht. Wir müssen zurück. Sonst kriege ich noch mehr Ärger.
    »Nee, lass mal, wir brauchen kein Tauchboot«, sagte er zu Ellard und verabschiedete sich.
    Leon warf einen Blick auf sein DivePad, das ihm den Weg zurück zu seiner Heimatstation wies, schaltete die Lampe wieder ab und ließ dafür seinen Scooter an. Der knallgelbe, eineinhalb Meter lange Torpedo war ein praktisches Fortbewegungsmittel für mittlere Entfernungen, und Leon fand es sehr entspannend, sich davon durchs Wasser ziehen zu lassen. Selbst mit dem Scooter würden sie einen halben Tag für die Rückkehr brauchen. Aber das war kein Problem – die Atemluft konnte ihm nicht ausgehen, er holte sich ja alles, was er brauchte, direkt aus dem Meer. Die gesamte Oberfläche seines OxySkin-Anzugs zog pausenlos Sauerstoff aus dem Wasser und gab dafür das ausgeatmete Kohlenstoffdioxid ab.
    Lucy glitt neben ihm dahin. Sie konnte voranschießen wie eine Rakete, indem sie Wasser in die weiche Höhle ihres Körpersacks aufnahm und schnell wieder ausstieß. Dabei wölbte und streckte sie die fast zwei Meter langen Arme, ihr ganzer Körper wogte. Leon fand, dass sie einen sehr eleganten Schwimmstil hatte. Doch lange hielt sie das Tempo nicht durch; meist saugte sie sich nach ein paar Minuten am Scooter fest und ließ sich ebenso mitziehen wie ihr menschlicher Partner.
    Leon kannte die Gegend und wusste, dass sie sich nun am Rand des Kohala Canyons entlangbewegten. In dieser Unterwasserschlucht fiel der Meeresboden bis auf viertausend Meter ab. Es wäre kein Problem gewesen, quer darüberzuschwimmen – man bewegte sich einfach weiter geradeaus, schwerelos über den schier endlosen Abgrund hinweg. Oft fiel es Leon in solchen Situationen schwer zu sagen, wo oben und unten war, aber das störte ihn nicht weiter, er war es gewohnt. Doch jetzt wollte er am Sockel der Insel entlang zurückkehren, vielleicht war ja heute sein Glückstag und er entdeckte noch mehr Mangankrusten. In fünfhundert Meter Tiefe, knapp über dem Meeresboden, wandte er sich nach Norden.
    Der erste Hinweis darauf, dass es vielleicht doch kein Glückstag werden würde, kam von Lucy. Es waren nur Gedankenfetzen, die Leon auffing. Kawon … sie kommen hoch … rotes Wasser … großviele sind es!
    Was?, hakte Leon irritiert nach. Was ist rotes Wasser? Lucy nahm Farben nicht mit den Augen wahr, sondern mit anderen Sinnen – sie spürte sie eher. Leon hatte nie herausgefunden, ob seine Partnerin mit den Farbworten, die sie ab und zu benutzte, wirklich das Gleiche meinte wie ein Mensch. »Kawon« dagegen verwendete sie immer mal wieder, damit bezeichnete sie andere Wesen ihrer Art.
    Da! Sie kommen! Lucys Gedanken waren so heftig, dass Leon instinktiv den Scooter stoppte und seine Lampe einschaltete. Es lohnte sich, so etwas hatte er noch nie gesehen. Der Lichtstrahl erhellte unzählige etwa handlange Körper im nachtschwarzen Wasser um sie herum. Kalmare! Eng mit den Kraken verwandt, aber zehnarmig. Es war ein Schwarm von vielleicht sogar tausend Tieren und er hatte es richtig eilig.
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