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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig
Autoren: Jörg Juretzka
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Lenker, Schutzbleche, Rahmen, Felgen, Speichen, Gepäckträger, nur die Reifen waren irgendwie verschont geblieben - lila angepinseltes Fahrrad wartete im Flur vor Frau Audingas Wohnungstür. Ich machte mir eine Notiz, die Verbotsschilder mit einem ausdrücklichen Verweis auf den extra zum Zweck der Unterbringung eingerichteten Fahrradkeller zu versehen.
    >Abfluss<, stand in der Auftragsspalte. Urghs. Ich klingelte trotzdem.
    Sie hielt ihren Kaffeebecher mit beiden Händen umklammert wie das letzte, wärmende Flämmchen inmitten der heulenden Blizzards der Eiszeit. Ihr, um es vorsichtig auszudrücken, exzentrisch blond-überbraun gefärbter Topfhaarschnitt ließ ihren Kopf wie einen Schokopudding aussehen, den jemand mit Vanillesoße dekoriert hatte. Sie bewohnte ein Ein-Raum-Apartment ähnlich meinem, oder, so gesehen, mittlerweile meinen beiden. Eins in der City und eins oben hier im Haus. Manchmal frage ich mich, ob ich jemals noch etwas anderes beziehen werde als so ein allmählich, unmerklich, jeden Tag in bisschen enger werdendes Wohnklo. An der Wand direkt gegenüber der Eingangstür hing ein Foto von Cornelia mit Herrn Audinga, einem großen, außerordentlich verdutzt dreinblickenden Schwarzafrikaner. Cornelia, blass und schmächtig an seiner Seite, trug eine an Ackerfurchen gemahnende Knüpffrisur, die den heutigen Topfpudding geradezu vorteilhaft erscheinen ließ.
    „Ich bin der neue Hausmeister. Wir haben telefoniert. Ich komme wegen des Abflusses.“ Sätze, wie in Stein gemeißelt. „Im Bad.“
    Stringtangas leisteten Büstenhaltern auf der Wäscheleine über der Wanne Gesellschaft. Eine Großpackung Kondome wartete gleich neben dem Zahnputzglas. Die Sprache der Dinge - sie ist manchmal so deutlich, man meint, sie hören zu können.
    Wie sich herausstellte, betraf die Verstopfung glücklicherweise nicht das Klo, sondern nur das Handwaschbecken.
    Es mag Einbildung sein, aber mir ist oft, als ob ich ein ganz besonderes Händchen im Umgang mit dem Abflusspümpel hätte. Bis dahin entgangen war mir allerdings die unter Umständen erotisierende Wirkung der rhythmisch schmatzenden Geräusche bei seiner Handhabung. Auf alle Fälle kam Cornelia hinter mir her ins Bad, strich dicht an meinem Rücken vorbei und befühlte prüfend ihre von der Leine baumelnde Unterwäsche. Die Sprache der Dinge und die Sprache der Gesten. „Mögen Sie klassische Musik?“, fragte sie unvermittelt.
    Fast wäre er mir abgerutscht, mein Pümpel. Hä? lag mir auf der Zunge. „Klar doch“, hörte ich mich stattdessen antworten. „Vor allem Schostastochowitsch.“ Ich sag's doch, ich hatte einen sitzen. Sie hakte nicht weiter nach.
    Eine Weile energischen Pümpelns später, und das Wasser lief wieder ab, wie es sollte. Tiefe Zufriedenheit beim Mann mit der Saugglocke.
    Zurück im Wohnraum hatte sich Cornelia inzwischen auf dem Sofa ausgestreckt.
    Wo ich gerade da war, fragte ich sie mal kurz nach ihren Vermutungen über die Einbruchsserie. „Ich glaube“, seufzte sie, sichtlich, wenn auch vergeblich bemüht, ihre flache Brust zum Wogen zu bringen, „es handelt sich um einen großen, kräftigen, durchsetzungsfähigen Mann, der weiß, was er will, und zu allem entschlossen ist.“
    Hä? Wie um alles in der Welt kam sie denn da drauf? „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen“, entfuhr es ihr zittrig, „dass ich einem solchen Eindringling ... irgendetwas entgegenzusetzen hätte.“ Damit spreizte sie eines ihrer Beine ab, ließ es vom Sofa gleiten und wölbte ihr Becken vor.
    Für einen Moment blickte ich drein wie Herr Audinga auf dem Foto. Was sollte das werden? Die Einladung zu einem Rollenspiel oder gleich zu einer Vergewaltigung? War ihr nach robusten Sexualpraktiken, oder war sie schlichtweg nicht ganz frisch in der Birne? „Ich muss dann mal weiter“, sagte ich und wandte mich zur Tür.
    „Möchten Sie nicht vielleicht erst noch einen Kaffee?“ Sie sprang auf, zur Kochnische, und stellte einen zweiten Becher neben ihren. „Es ist doch so bitterkalt da draußen.“
    Ich wollte schon abwinken, so kalt war's nun wirklich nicht, da schraubte sie den Verschluss von einer Brandyfiasche. „Vielleicht einen mit Schuss?“
    Die Gesellschaft hat meiner Ansicht nach vollkommen verblasene Vorstellungen davon, was für einen Job und was für ein Drum und Dran ein Mann haben muss, um auf Frauen unwiderstehlich zu wirken. Formel-1-Pilot, Fußballprofi, Fernsehmoderator, Filmschauspieler? Vergiss es. Waschbrettbauch,
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