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Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)

Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)

Titel: Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)
Autoren: Alyson Noël
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Eins

    Daire
    I ch erwache in einem schlagartig hell gewordenen Raum, als mich Axel von der Tür her anspricht.
    Er wartet. Gibt mir Zeit, mich zu sammeln, ehe er zu mir ans Bett kommt. Sein Weg wird begleitet vom sanften Ein- und Ausströmen seines Atems und dem leisen Huschen seiner Füße auf dem glatten Steinfußboden.
    Seine Stimme ist eine Melodie.
    Seine Bewegungen gleichen einer leichtfüßigen Choreografie.
    Doch als er neben mir steht und mir vorsichtig die Hand auf die Schulter legt, weiche ich seiner Berührung aus und kneife die Augen zu. Kehre zurück in den Traum, um die Erinnerung an Dace und seine Umarmung festzuhalten. Seine streichelnden Finger auf meiner Haut … seine Lippen auf meinen … die unstillbare Sehnsucht, mich im glitzernden Feuer seiner kaleidoskopartigen Augen zu verlieren, die mein Gesicht tausendfach widerspiegeln. Das Traumbild von Dace und mir, glücklich wiedervereint an der verzauberten Quelle, erscheint mir weitaus verlockender als die freudlose Realität, die mich erwartet.
    »Daire, bitte. Ich weiß, dass du wach bist.« Axels Worte klingen gleichmütig, als würde ihn mein Spielchen nicht im Geringsten verärgern. »Ich kann gern den ganzen Tag hier sitzen bleiben, wenn es sein muss.« Er lässt sich auf meiner Matratze nieder und wartet darauf, dass ich seine Anwesenheit zur Kenntnis nehme.
    »Du hast die Geduld eines Heiligen«, blaffe ich ihn an, während ich den Traum widerwillig aufgebe und mich damit abfinde, dass er nur ein Hirngespinst ist. Beim Anblick von Axels sorgenvollen lavendelfarbenen Augen erstarre ich und beobachte gebannt, wie sie sich zu einem düsteren Violett verfinstern, bevor sie wieder so klar und strahlend werden wie an dem Tag, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind.
    Dem Tag, an dem wir die ersten Worte wechselten und uns miteinander bekannt machten.
    Dem Tag, an dem er mich in die Arme nahm und mich hoch in den Himmel katapultierte, das prachtvolle seidige Gewebe durchstieß und mit mir in eine Welt aus strahlend goldenem Licht vordrang.
    So anders als zuvor – einmal tief unter Wasser – einmal auf einem gespenstischen Platz in Marokko –, als ich noch so naiv war, die Geschehnisse als Zufälle abzutun.
    »Ein Heiliger bin ich wohl kaum.« Seine Finger graben sich in das blonde Haar, das ihm in sanften Locken in die Stirn und über die Wangen fällt. Eine Geste, die ich schon unzählige Male an ihm gesehen habe, dennoch wirkt sie noch genauso hinreißend wie beim ersten Mal. Mit seinen platinblonden Haarsträhnen, dem makellosen, durchscheinenden Teint und den pastellfarbenen Augen wirkt er unglaublich engelhaft – ihm fehlen nur noch Flügel und Heiligenschein.
    »Wenn du kein Heiliger bist, dann vielleicht ein Engel?« Die Frage hängt bedrückend in der Luft und ist nicht annähernd so witzig, wie sie oberflächlich betrachtet erscheinen mag. Hier in der Oberwelt ist nichts unmöglich, und ich setze alles daran, die Wahrheit über die sonderbare Situation, in der ich mich befinde, zu ergründen. »Oder ein Geistführer vielleicht? Womöglich mein Geistführer?«
    Ich mustere ihn mit zusammengekniffenen Augen, während ich im Stillen über die unausgesprochenen Fragen nachgrübele:
    Bin ich eine Genesende oder eine Gefangene?
    Will er mich retten oder zur Sklavin machen?
    Als er zusammenzuckt und den Blick abwendet, weiß ich, dass er nicht nur meine Worte, sondern auch meine Gedanken gehört hat.
    »Und wenn ich dir sage, dass ich nichts von alldem bin?«
    »Dann würde ich annehmen, dass du lügst«, sage ich mit entschlossener Stimme. Er soll wissen, dass ich ihm zwar körperlich unterlegen und auf seine Hilfe und Pflege angewiesen bin, aber nach wie vor über einen starken Willen verfüge. Meine Tage als Patientin nähern sich dem Ende.
    »Wenn du auf einer Bezeichnung bestehst, was offensichtlich der Fall ist, könnte man wohl am ehesten sagen, dass ich ein Mystiker bin.« Er streicht über seine weiße Tunika.
    »Ein Mystiker?« Mein Tonfall ist genauso schroff wie mein Gesichtsausdruck.
    Er nickt und studiert das an Georgia O’Keeffe erinnernde Gemälde eines leuchtend blauen Sees an der gegenüberliegenden Wand, bevor er sich auf den Rand des gekachelten Beckens setzt, in dem ich immer mit einem züchtigen weißen Gewand bekleidet bade und mir von Axel den Seifenschaum von Schultern und Haaren spülen lasse.
    »Wie definierst du Mystiker?«, frage ich. Mehr als das habe ich trotz wiederholter Versuche bislang nicht aus ihm
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