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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig
Autoren: Jörg Juretzka
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Wohnung.“
    Ah, verdammt. Ich hatte nach der Entdeckung des Fahrradkellers vergessen, ihn wieder von seinem Beobachtungsposten zu holen.
    „Und danke auch für die wirklich unterhaltsame Rückfahrt. Der Bus kommt ja annähernd jede Stunde. Wenn er kommt.“
    „Hör zu“, begann ich, doch er schnitt mir das Wort ab. „Dafür haben mich die beiden reizenden alten Damen neben mir die ganze Fahrt lang wirklich umfassend über Blaseninkontinenz und ihre Behandlung informiert. Ich könnte Vorträge zu dem Thema halten.“
    „Es tut mir leid“, warf ich ein. „Aber die Ereignisse ...“
    „Und dank der drei feuchtfröhlichen jungen Männer mit dem Kurzhaarschnitt und dem stabilen Schuhwerk, die an der Aktienstraße zugestiegen sind, kenne ich nun auch endlich das Horst-Wessel-Lied in sämtlichen Strophen.“
    „Okay, okay“, rief ich dazwischen, „ich mache es wieder gut.“
    „Wie?“ Die Arme vor der Brust verschränkt, sah er mich herausfordernd an.
    „Indem ich dir über Weihnachten Gesellschaft leiste. Damit du nicht so einsam bist.“
    „Aha“, sagte er, wie zu einem Lottogewinn. Klasse acht. Also relativ frei von Überschwang. „Hast du schon irgendwas geplant?“, fragte ich, in der leisen Hoffnung, eventuell noch gestaltend eingreifen zu können.
    „Aber ja!“ Scuzzis Augen leuchteten ungesund auf. Partypillen, ich war mir sicher.
    „Ich habe das hier“, er hielt zwei Klarsichtbeutel hoch, einen kleineren, etwa im Format eines Tabakbeutels, voll weißen Pulvers, und einen größeren, etwa im Format einer Einkaufstüte, voll grüner Krümel, „und das hier.“ Er warf die Beutel aufs Sofa, griff sich eine Fernbedienung und zeigte damit auf einen neuen Riesenflachbildschirm, den ich bis dahin irgendwie zu übersehen geschafft hatte. Genauso wie den Adventskranz und ein paar andere schillernde Dekorationen. Der Bildschirm sprang an, und Christine Neubauers Busen wogte mir entgegen. Aus einem Weihnachtsmannkostüm. Mich schauderte.
    „Ich werde mir also die Birne so richtig schön dichtziehen und starte dann ein bis ins Letzte ausgetüfteltes Programm: drei Tage und Nächte lang laufen hier ausschließlich Filme und Sendungen zum Thema Weihnachten.“
    Jeden anderen hätte ich jetzt gefragt, ob das sein Ernst sei. Bei Scuzzi war das überflüssig. „Und zwischendurch spiele ich Weihnachtsmusik. Alle großen Weihnachtshits von Christina Aguilera bis ...“
    „ZZ Top“, warf ich ein, mit einem letzten Funken Hoffnung.
    „... bis Stevie Wonder.“
    „Stevie Wonder“, echote ich, wie ein Mann „lebenslänglich“ wiederholt. Oder „Clausthaler“. „Das wird ein nie da gewesener Zweiundsiebzig-Stunden-Marathon der Besinnlichkeit. Bist du dabei?“ Er blickte mich erwartungsvoll an. Es war sein Ernst. Für einen Moment bedachte ich die Alternativen. „Klar doch“, sagte ich dann.
     
    ENDE
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