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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig
Autoren: Jörg Juretzka
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hübschen Obolus zuzustecken.
    Namensliste der Initiative. Die Krähe hieß Hildegard Pückler, da war ich mir sicher. Sie sah einfach so aus. Die Mängelliste war nach Eingangsdatum der jeweiligen Beschwerde sortiert. Die älteste war somit die einer, na ja, mittelalten Fleisch- und Wurstwarenfachverkäuferin. Und sie hieß auch noch Hertha. Hertha Schombierski. Neben ihrer Wohnungstür parkte ein altmodisches Damenrad mit Packtaschen hinten und einem Einkaufskorb vorn. Ich machte eine rasche Notiz, entsprechende Verbotsschilder für alle Häuser der Anlage anfertigen zu lassen, und klingelte. „So kurzfristig, wie Sie sich angemeldet haben, da hatte ich einfach keine Zeit mehr, etwas zu kochen.“ Frau Schombierski trug daheim offenbar gern Sommerklamotten. Bevorzugt solche, die ihr einige Sommer zuvor noch gepasst hatten, ohne dass sich zwischen den Knöpfen salinoförmige Durchblicke bildeten. „Doch ich hab Ihnen ein paar Leberwurstbrote gemacht. Mit der guten, groben, im Naturdarm.“
    „Sie verstehen es wirklich, einem Lust aufs Essen zu machen, Frau Schombierski.“
    „Ich mag einen Mann, dem's schmeckt“, gestand sie mit schalkhafter Verlegenheit.
    Ich sagte: „Leider habe ich heute schon gekotzt.“ Nein, Scherz. Ich sagte: „Leider habe ich gerade erst zu Mittag gegessen.“
    „Ach, kommen Sie. Sie sind doch ein schwer arbeitender Mann.“ Sie hielt mir den Teller mit den grob gehackt aus dem Naturdarm auf die Kniften gequetschten Innereien unter die Nase, und mir verging jede noch so minimale Regung von Appetit wie Mülheimer Schnee bei der Landung.
    „Auf meiner Liste steht, eine Ihrer Türen klemmt?“
    „Ja, richtig.“ Pause. „Die vom Schlafzimmer.“ Vielsagender Augenaufschlag.
    Sie zeigte mir die Tür, ich hob das Blatt aus den Angeln, verstellte die Bänder, hängte es wieder ein. Fertig. Zum Hausmeister geboren. Doch leider - Tragik meines Lebens - Detektiv von Beruf.
    Das erinnerte mich an meine eigentliche Aufgabe, und so fragte ich Frau Schombierski rasch, wer wohl ihrer Ansicht nach hinter den ganzen Einbrüchen der letzten Zeit stecken könnte.
    „Ha! Na wer wohl? Diese Bande, diese Türken, die hier die Straßen und Spielplätze unsicher machen. Die arbeiten alle nichts, sind aber immer schnieke angezogen. Was allein die Turnschuhe von denen kosten! Dies war mal ein ruhiges Viertel. Bis diese Sippen hier eingezogen sind. Fehlt nur noch, dass man denen eine Moschee baut, wie in Marxloh. Ich würde ja lieber heute als morgen wegziehen, aber, wissen Sie, als alleinstehende Frau kann man sich die Mieten woanders nicht mehr leisten. Wenn ich natürlich einen Mann hätte, der dazuverdient ...“
    Na komm, Kristof, dachte ich. Gib dir 'nen Ruck, und es wird dir für den Rest deiner Tage nie mehr an Leberwurststullen mangeln. „Ich muss dann mal weiter.“
    „Vielleicht ein Likörchen, für den Weg?“
    „Nur, falls Sie keinen Portwein dahaben.“
    „Portwein?“
    „Scherz“, erklärte ich. „Hausmeisterhumor.“
    Es dämmerte bereits, als ich vors Haus trat und meine Liste nach der nächsten Adresse absuchte, eine Aufgabe, die nicht eben dadurch vereinfacht wurde, dass ich leicht einen sitzen hatte.
    „Watt iss, Hausmeister? Brauchsse 'ne Brille? Oder hasse wieder'n Arsch voll?“
    Die beiden Rotzigen. Sie mühten sich mit einem Mountainbike ab, ein recht sperriger Gegenstand, wenn man noch zu klein ist, ihn sich einfach auf die Schulter zu wuchten. Und, natürlich, solange das Hinterrad mit einem soliden Bügelschloss gesichert ist.
    „Wo habt ihr denn das Fahrrad her?“ Noch während ich fragte, wusste ich schon die Antwort.
    „Gefunden.“
    Was denn auch sonst.
    „Kannste kaufen.“
    „Hat vierundzwanzig Gänge, Federgabel und Scheibenbremsen.“
    „Und Gelb ist doch 'ne scharfe Farbe.“
    „Nee, lasst mal. Wir machen Folgendes: Ihr bringt das Rad sofort dahin zurück, wo ihr es angeblich gefunden habt, und ich drücke noch mal ein Auge zu.“
    „Ja gut“, sagte der eine zerknirscht. „Und danke auch.“
    „Wird uns eine Lehre sein“, meinte der andere. Und sie schoben ab. Allerdings exakt in derselben Richtung, in der sie auch vorher schon unterwegs gewesen waren. Ich widmete mich wieder meiner Liste. >Cornelia Audinga, achtundzwanzig, Buchhändlerin, arbeitslos. Verheiratet, aber getrennt lebend.< So ganz nebenbei begann ich mich zu fragen, wie datenschutzkonform all diese über die Mieter gesammelten Informationen eigentlich waren.
    Ein über und über -
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