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Roter Herbst - Kriminalroman

Roter Herbst - Kriminalroman

Titel: Roter Herbst - Kriminalroman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sitzen, bis sie beide schließlich erkannten, dass sie alles gesagt hatten, was es zu sagen gab. Als ihnen die Worte gänzlich ausgingen, erhob sich Bichlmaier. Er berührte Rune leicht an der Schulter, eine ungewohnt intime Geste. Dann ging er. Er wusste, dass sie sich nicht mehr sehen würden. Als er die Tür schließen wollte, vernahm er noch einmal Runes Stimme.
    »Habt ihr meinen Sandor denn nicht gefunden?«, wollte er wissen.
    Bichlmaier lachte ganz leise und nickte Rune zu. »Hunde sind doch treue Wesen«, sagte er. »Dein Sandor hat die ganze Zeit auf dich gewartet. Wir haben ihn in der Kaserne gefunden. Es geht ihm gut.«

    Die beiden folgenden Tage nutzte er, um seine wenigen persönlichen Angelegenheiten in M. zu regeln. Er kündigte seine Wohnung, löste sein Konto auf, das er erst vor einigen wenigen Wochen eröffnet hatte, erledigte weitere Kleinigkeiten und packte zum Schluss seine Habseligkeiten ins Auto. Dabei hatte er den Eindruck, dass so gut wie nichts dazugekommen war, seit dem Tag seiner Flucht aus Regensburg. Schließlich verabschiedete er sich von den Kollegen im Kommissariat, die ihm gute Wünsche auf den Heimweg mitgaben. Sie versicherten ihm, sie würden ihn vermissen.

    Dann machte er sich auf, das letzte Kapitel seines früheren Lebens zu schließen. Dieses Mal hatte er die Blumen nicht vergessen. Ein großer Strauß roter Rosen, der ihm aber, schon während ihn die Verkäuferin herrichtete, peinlich war. Er ahnte ja, dass er damit nur seine eigene Sprachlosigkeit überdecken wollte. Ein kläglicher Versuch, wie er nur zu gut wusste.
    Dann hatte er Glück. Zumindest empfand er es so. Romy war nicht zu Hause. Er läutete dreimal, aber sie öffnete nicht. Da legte er den Strauß vor die Tür und schrieb eine Nachricht, die er erleichtert zu den Blumen steckte. ›Tut mir leid‹, stand darauf. Vielleicht würde sie ja wissen, was er damit meinte. Dann setzte er sich ins Auto und brach mit großer Hast auf. Ein weiter Weg lag noch vor ihm.
    Als er durch das Stadttor, durch das er vor sieben Wochen in die Stadt gekommen war, rollte, verspürte er eine große Erleichterung. Fast hätte er deshalb den jungen Mann übersehen, der wie aus dem Nichts kommend, vor ihm über die Straße ging. Er musste scharf bremsen, sodass sein alter Saab bedenklich in die Knie ging. Der junge Mann drehte sich zu ihm um und blieb stumm und bedrohlich vor dem linken Kotflügel stehen. Ein athletischer, junger Mann mit gegelter Kurzhaarfrisur, der ihn mit großer Intensität musterte. In seinen Augen lag etwas, was Bichlmaier Angst machte. Erst nach einer Weile ging der Mann weiter, ohne sich noch einmal umzudrehen. In dem Augenblick fiel es Bichlmaier ein, wo er ihn schon einmal gesehen hatte.

Epilog
    Fast auf den Tag genau waren es sieben Wochen gewesen, die er fern des vertrauten Lebens verbracht hatte. Sieben Wochen nur, und doch schien ihm, als habe er sieben Jahre in einer Art Traumwelt gelebt, in der Vergangenes und Gegenwärtiges in besonders inniger Verbindung zueinander gestanden hatten. Als sei er eingeschlossen gewesen in einem Zauberberg, in dem märchenhafte Wesen ihn in ihre Netze verwoben hatten, um ihn am Ende wieder in eine vordergründige Realität zu entlassen.
    Jetzt war er aus diesem Traum erwacht, und als er die Augen geöffnet hatte, war ihm seine Welt wie verwandelt vorgekommen. Stärker noch als früher, erzeugten die Menschen, die emsig um ihn herum hin und her eilten, ein Gefühl der Fremdheit in ihm.
    Selbst seine Schwester, die für einige Tage nach Regensburg gekommen war, war ihm ungewöhnlich fremd geworden. Zum ersten Mal sah er die strengen Linien in ihrem Gesicht, die spröde Blässe ihrer Haut und die Röte ihrer Augen, und er erkannte sich darin selbst. Der Mann jedoch, der ihm da entgegengrinste, war ihm trotz allem fremd. Es war ihm, als betrachte er eine alte, verstaubte und längst vergessene Fotografie von einem Freund, der schon vor geraumer Zeit verstorben war.
    »Erinnerst du dich an Mama, als wir Kinder waren?«
    »Das ist schon eine Ewigkeit her«, lachte sie. »Und so viel ist seit damals passiert. Ich kann mich aber daran erinnern, wie sie ausgesehen hat, als ich geheiratet habe und von zu Hause weg bin. Damals hat sie geweint.«
    Bichlmaier nickte. Auch er konnte sich daran erinnern. Aber das war es nicht das, was er sagen wollte. »Ich kann sie noch immer so sehen, wie sie vor langer Zeit gewesen ist. Sie hat immer schrecklich gern Federball gespielt. Dabei haben
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