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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel
Autoren: Tess Gerritsen
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verspiegelte Scheibe?«
    »Sehr gut erkannt.«
    »Was soll ich tun?«
    »Mit mir reden.«
    »Das ist alles?«
    »Es kommt dann noch mehr.«
    Klar. Immer kam noch mehr. Sie ging fast beiläufig zum Spiegel.
    Er hatte gesagt, er sei scheu. Das gab ihr ein besseres Gefühl. Damit behielt sie die Sache in der Hand. Sie stand da, eine Hand in der Hüfte. »Okay. Wenn Sie sich mit mir unterhalten wollen, Mister, es ist Ihr Geld.«
    »Wie alt bist du, Molly?«
    »Sechzehn.«
    »Kommt deine Periode regelmäßig?«
    »Was?«
    »Deine Menstruation.«
    Sie mußte lachen. »Nicht zu fassen.«
    »Antworte auf meine Frage.«
    »Ja, eher regelmäßig.«
    »Und deine letzte Periode hattest du vor zwei Wochen?«
    »Woher wissen Sie denn das
?
« trumpfte sie auf. Doch dann schüttelte sie den Kopf und murmelte: »Ach. Von Romy.«
    Romy wußte natürlich Bescheid. Er wußte es immer, wenn bei einem seiner Mädchen die Tante zu Besuch war.
    »Bist du gesund, Molly?«
    Sie starrte in den Spiegel. »Sehe ich etwa nicht so aus?«
    »Keine Blutkrankheit? Hepatitis? HIV?«
    »Ich bin sauber. Bei mir fangen Sie sich nichts ein, wenn das Ihre Sorge ist.«
    »Syphilis? Tripper?«
    »Hören Sie«, schnappte sie zurück. »Wollen Sie mich nun flachlegen oder nicht?«
    Ein Moment Stille. Dann wieder die Stimme, ganz sanft: »Zieh dich aus.«
    Das gefiel ihr schon besser. Das war es, was sie erwartet hatte.
    Sie trat näher an den Spiegel, so nah, daß ihr Atem sich auf der Scheibe niederschlug. Er wollte bestimmt alle Einzelheiten sehen. Das wollten sie immer. Sie fing an, die Bluse aufzuknöpfen. Ganz langsam. Sie gab eine Vorstellung. Dabei dachte sie an nichts, ließ sich in einen Raum fallen, in dem keine Männer mehr existierten. Sie bewegte die Hüften wie zum Takt einer Musik. Die Bluse glitt von ihren Schultern und fiel auf den Boden. Ihre Brüste waren jetzt nackt, und die Brustwarzen versteiften sich in der kühlen Luft. Sie schloß die Augen. Irgendwie machte sie es alles besser.
Bring es hinter dich,
dachte sie.
    Mach es ihm und dann wieder raus ins Freie.
    Sie öffnete den Reißverschluß an ihrem Rock und stieg heraus.
    Dann zog sie das Höschen aus. Alles geschah mit geschlossenen Augen. Romy hatte zu ihr gesagt, sie habe einen schönen Körper.
    Wenn sie den nur richtig einsetze, werde kein Mensch merken, wie gewöhnlich ihr Gesicht sei. Also gebrauchte sie jetzt ihren Körper und tanzte zu einem Rhythmus, den nur sie allein hörte.
    »Schön«, sagte der Mann. »Du kannst aufhören zu tanzen.«
    Sie öffnete die Augen und starrte verblüfft in den Spiegel. Dort sah sie sich selber. Strähnige hellbraune Haare. Kleine, aber spitze Brüste. Hüften, so schmal wie bei einem Jungen. Als sie mit geschlossenen Augen getanzt hatte, hatte sie eine Rolle gespielt. Nun stand sie vor ihrem eigenen Spiegelbild. Ihrem wahren Selbst. Unwillkürlich kreuzte sie die Arme vor ihrer nackten Brust.
    »Auf den Tisch«, sagte er.
    »Bitte?«
    »Den Untersuchungstisch. Leg dich hin.«
    »Ja, sicher. Wenn es das ist, was Sie antörnt.«
    »Das ist es, was mich antörnt.«
    Jedem das Seine. Sie kletterte auf den Tisch. Der Vinylbezug war kalt unter ihren nackten Pobacken. Sie legte sich hin und wartete, daß etwas passierte.
    Eine Tür ging auf, und sie hörte Schritte. Sie sah genau hin, als der Mann an das Fußende der Liege trat und sich über sie beugte. Er war ganz in Grün gekleidet. Von seinem Gesicht sah sie nur die Augen, stahlblau und kalt. Sie sahen sie über einen Mundschutz hinweg an.
    Erschreckt setzte sie sich auf.
    »Hinlegen«, befahl er.
    »Was, zum Teufel, haben Sie vor?«
    »Ich sagte
hinlegen.
«
    »Mann, ich haue ab von hier, wenn …«
    Er packte sie am Arm. Erst da merkte sie, daß er Handschuhe trug. »Hör mal, ich will dir nicht weh tun«, sagte er mit sanfterer Stimme. In freundlicherem Ton. »Verstehst du denn nicht? Das
hier
ist meine Phantasie.«
    »Sie meinen, den Doktor zu spielen?«
    »Ja.«
    »Und ich bin Ihre Patientin?«
    »Ja. Macht dir das angst?«
    Sie saß da und überlegte. Dachte an all die anderen Phantasien, für die sie ihren Kunden zur Verfügung gestanden hatte. Diese hier schien ihr vergleichsweise eher harmlos.
    »In Ordnung«, seufzte sie und legte sich wieder hin.
    Aus dem Tisch wurde jetzt ein gynäkologischer Stuhl. Der Mann zog seitlich zwei Beinstützen heraus. »Komm, Molly«, sagte er. »Du weißt doch bestimmt, was du jetzt mit deinen Beinen zu machen hast.«
    »Muß ich?«
    »Du weißt, ich bin
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