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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen
Autoren: Ines Thorn
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Erstes Kapitel
    Frankfurt im Jahre 1530
     
    «Hast du nicht gehört? Es hat geklopft!» Lisbeth sah ihren Mann so vorwurfsvoll an, als wäre er der Störenfried.
    Sie legte die Hände auf ihren hochschwangeren Bauch und die Füße auf einen Schemel: «Na, los doch.»
    Ruppert erhob sich seufzend, ging die Treppe hinunter zur Haustür.
    «Lass bloß keinen rein, hörst du?», rief seine Frau von oben. «Um diese Zeit klopfen nur noch Lügner und Betrüger.»
    «Ja, ja.»
    Er öffnete die Tür. Vor ihm stand eine junge Frau und sah ihn mit großen, dunklen Augen an. Sie trug ein verschlissenes grellbuntes Kleid, an ihren Handgelenken klapperten Armreifen aus billigem Holz. «Bitte!», sagte sie, sonst nichts.
    Regenwasser rann aus den langen Haaren, färbte ihr viel zu dünnes Kleid dunkel. Sie zitterte am ganzen Leib. Ruppert trat einen Schritt zur Seite, ließ die junge Frau ein, ging vor ihr her in die Küche.
    «Wer ist es?», rief seine Frau von oben.
    Ruppert legte den Zeigefinger quer über den Mund und sah die junge Frau an. Sie nickte.
    «Es ist nichts, Liebes. Nur ein Versehen», rief er nach oben.
    Dann machte er Milch warm, schob dem Mädchen einen Becher hin.
    «Was führt Euch her?», fragte er dann.
    Das Mädchen trank, wischte sich mit dem Handrücken die Milch von der Oberlippe. «Ich bin eine Zigeunerin, das seht Ihr ja an meiner Kleidung. Heute auf dem Markt hat man mich erwischt, als ich einer Frau den Geldbeutel vom Gürtel geschnitten habe. Man hat mich ausgepeitscht, aber erst nach Toresschluss gehen lassen. Meine Leute sind weitergezogen, haben mein Neugeborenes mitgenommen. Und ich sitze hier fest, darf nicht aus der Stadt hinaus, darf auch nicht drinnen bleiben.»
    «Warum habt Ihr ausgerechnet bei mir geklopft?»
    Das Mädchen zuckte mit den Schultern. «Die Blumentöpfe vor den Fenstern, das Kerzenlicht. Es sah so warm und gemütlich aus. Ich dachte, wer so lebt, kann kein schlechter Mensch sein.» Sie hob den Arm, um das nasse Haar zu lockern, und stöhnte dabei zum Gotterbarmen. «Die Wunden von der Peitsche», erklärte sie und drehte sich ein wenig.
    Erst jetzt sah Ruppert, dass ihr Kleid am Rücken von Blut durchtränkt war.
    «Wo bleibst du denn, Ruppert?», gellte eine Stimme durch das Haus.
    «Ich komme, Liebes.»
    Dann schnitt er eine dicke Scheibe Brot von einem Kanten, schob eine Schüssel mit ausgelassenem Schweinefett zu dem Mädchen. «Esst, Ihr habt sicher Hunger. Wenn Ihr fertig seid, gebe ich Euch ein bisschen Leinenstoff für die Wunden. Ihr könnt in der Werkstatt schlafen. Dort ist es warm und trocken. Eine Decke gebe ich Euch auch.»
    «Vergelt’s Euch Gott.» Das Mädchen biss in das Brot, als hätte sie seit Tagen nichts gegessen.
    «Was ist hier los?» Lisbeth stand in der Küchentür, die Hände auf dem Bauch. «Wer ist das? Was will die hier?»
    Ruppert seufzte. «Eine Zigeunerin. Sie weiß nicht wohin heute Nacht. In der Werkstatt wird sie schlafen.»
    «Und was zahlt sie dafür?» Lisbeth rieb den Daumen gegen den Zeigefinger.
    «Ich habe kein Geld», sagte das Mädchen.
    Lisbeth trat einen Schritt vor, riss ihr das Brot aus der Hand, schob den Schmalztopf zur hintersten Tischkante. «Wer nicht zahlt, kriegt nichts.»
    Das Mädchen sah dem Brot nach, schluckte, erhob sich und stöhnte dabei.
    «Sie hat große Schmerzen», erklärte Ruppert. «Als Christenmenschen sollten wir sie lassen. Es ist kalt draußen, Sturm kommt auf. In der Werkstatt stört sie niemanden.»
    Lisbeth schürzte die Lippen. «Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. So steht es in der Schrift. Sie kann bleiben, wenn sie dafür arbeitet.»
    Lisbeth wandte sich an das Mädchen. «Was kannst du?»
    «Singen und tanzen.»
    «Pah! Das kann ich selbst. Den ganzen Tag kann ich um den gedeckten Tisch tanzen, wenn mir danach ist. Arbeit sieht anders aus. Also?»
    Das Mädchen starrte auf die Tischplatte, dann auf Ruppert, der mit hängenden Schultern neben der Kochstelle stand.
    «Ich kann Euch die Zukunft aus der Hand lesen.»
    Die Worte kamen leise.
    Lisbeth legte eine Hand hinters Ohr. «Was hast du gesagt?»
    «Ich kann Euch die Zukunft aus der Hand lesen, auch einiges über das Kind sagen, das Ihr erwartet.»
    Lisbeth setzte sich. «Das ist Ketzerei, was du sagst. Weißt du das?»
    Das Mädchen sah stumm auf den gefliesten Küchenboden.
    «Ich kann dich anzeigen», drohte Lisbeth. «Du weißt, was mit Frauen wie dir geschieht? Man darf dem Herrgott nicht ins Handwerk pfuschen.»
    Sie drückte
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