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Rote Lilien

Rote Lilien

Titel: Rote Lilien
Autoren: Nora Roberts
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folgte dem Lichtstrahl seiner Lampe. Was zum Teufel war eigentlich mit ihm los?
    Reginald war ein ausgesprochener Scheiߟkerl gewesen, daran bestand gar keinZweifel. Und es war genauso sicher, dass Amelia eine selbstsüchtige, berechnende Frau gewesen war, die einen Sprung in der Schüssel gehabt hatte.
    Aber das, was aus dieser Verbindung entstanden war, war gut und stark gewesen.
    Und nur das spielte eine Rolle. Er musste Amelia finden. . Vermutlich hatte man sie im Wald verscharrt, dachte er. Aber warum sollte man sich die Mühe machen, mitten im Winter ein Loch in die Erde zu schaufeln, wenn man einen privaten Teich vor der Haustür hatte? Seine Vermutung erschien ihm richtig, so richtig, dass er sich fragte, warum sie vorher noch nie daran gedacht hatten. Vielleicht waren sie vorher noch nicht auf die Idee gekommen, dass Amelia im Teich lag, weil es zu einfach klang. Außerdem war der Teich immer benutzt worden, sogar damals schon. Zum Schwimmen, zum Fischen. Leichen, die ins Wasser geworfen wurden, tauchten häufig wieder auf. Warum sollte man so etwas riskieren? Er nahm sich einen anderen Teil vor und lieߟ den Lichtstrahl darübergleiten. Bald würde er Schluss machen müssen, dachte er. Er musste die Flaschen auffüllen lassen und konnte daher erst morgen weitermachen. Außerdem würden bald die Kunden kommen, und es gab nichts Schlimmeres für den Umsatz als das Gerücht, dass jemand auf dem Gelände nach einer Leiche suchte.
    Harper lieߟ den Lichtstrahl durch die Wurzeln seiner Wasserlilien streifen und überlegte flüchtig, ob er es nicht vielleicht mit der Kreuzung einer roten versuchen sollte. Er musterte die gesunden, kräftigen Wurzeln und war mit seiner Arbeit zufrieden. Und beschloss, wieder nach oben zu gehen. Der Lichtschein erfasste etwas unter ihm, in leicht südlicher Richtung.

    Als er einen Blick auf seine Uhr warf, stellte er fest, dass er schon fast keine Luft mehr hatte, doch er ging noch tiefer nach unten. Und da sah er sie, oder besser gesagt, das, was von ihr noch übrig war. Mit Schlamm überzogene Knochen, die zwischen den Pflanzen lagen. Und, wie er mit einem Anflug von Mitleid feststellte, beschwert mit Ziegelsteinen, die man ihr vermutlich mit dem Seil, mit dem sie sich erhängt hatte, um Hände, Beine, Taille gebunden hatte.
    Das Seil, mit dem sie ihren Sohn erhängen wollte. Aber wäre sie denn nicht trotz der Gewichte irgendwann einmal nach oben gekommen? Warum war das Seil nicht verrottet, warum hatten sich die Ziegelsteine nicht verlagert? Das war doch einfache Physik, oder nicht? Doch einfache Physik kalkulierte Geister und Flüche nicht mit ein. Er schwamm auf sie zu. Der Schlag lieߟ ihn die Orientierung verlieren und riss ihm die Lampe aus der Hand. Er war im Dunkeln, bei den Toten, und hatte keine Luft mehr. Harper versuchte, nicht in Panik zu geraten und seinen Körper zu entspannen, sodass er zu Boden sinken und sich von dort abstoßen konnte, um wieder an die Oberfläche zu gelangen. Doch ein zweiter Schlag wirbelte ihn herum. Er sah, wie sie durchs Wasser schwebte. Ihr weiߟes Gewand bauschte sich um sie, und ihre Haare trieben wie verworrene Seile um sie. In ihren Augen stand der Wahnsinn, und sie streckte ihre Hand aus, die zu einer Klaue gekrümmt war.
    Er spürte, wie sich ihre Hand um seinen Hals legte und zudrückte, obwohl er Amelia immer noch vor sich sah, einige Meter von sich entfernt, über ihren Knochen schwebend. Harper schlug um sich, doch es gab nichts, gegen das er hätte ankämpfen können. Er versuchte verzweifelt, an die Oberfläche zu gelangen, doch sie hielt ihn fest, so erbarmungslos wie die Ziegelsteine, die sie auf den Grund des Teichs hatten sinken lassen. Sie wollte ihn umbringen, so wie sie geplant hatte, ihr eigenes Kind zu töten. Vielleicht war das die ganze Zeit schon ihr Plan gewesen, dachte er. Einen Harper mit sich zu nehmen. Er dachte an Hayley, die oben auf ihn wartete, an das Kind, das sie unter dem Herzen trug. An die Tochter, die sie ihm bereits geschenkt hatte. Er würde sie nicht aufgeben.
    Er sah wieder nach unten, auf die Knochen, und versuchte, Mitleid mit ihr zu haben. Und dann sah er Amelia an, die bis in alle Ewigkeit wahnsinnig sein würde.
    Ich kann mich an dich erinnern.
    Du hast mir vorgesungen.
    Ich wusste, dass du mir nie etwas tun würdest. Erinnere dich an mich. Ich bin das Kind deines Kindes.
    Er tastete nach seinem Tauchmesser und schlitzte sich damit den Handballen auf, so wie sie sich einst in ihrem
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