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Rote Lilien

Rote Lilien

Titel: Rote Lilien
Autoren: Nora Roberts
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weggenommen, und jetzt ist sie allein. Sie wird immer allein sein. Sie kann nicht sehen, kann nicht fühlen. Alles scheint so weit weg zu sein. Es ist kalt und dunkel. Stimmen, aber sie kann sie nicht hören, nur ihr Echo. Sie versinkt.
    Sie kann nur die Dunkelheit sehen. Sie weiߟ nicht, wo sie ist. Sie schwebt einfach davon.« Hayley seufzte. »Ich kann mir nicht helfen, aber selbst in diesem Raum tut sie mir noch Leid. Sie war so kalt und egoistisch, so berechnend. Eine Hure im wahrsten Sinne des Wortes. Aber sie hat dafür bezahlt. ܟber hundert Jahre lang wusste sie nicht, wo sie ist. Sie hat auf die Kinder anderer Leute Acht gegeben und nur diesen einen, von Wahnsinn bestimmten Moment mit ihrem eigenen gehabt. Sie hat bezahlt.«
    »Vielleicht. Alles in Ordnung mit dir?« Hayley nickte. »Es war nicht so wie sonst. Sie ist nicht gegen mich angekommen. Ich war stärker. Ich brauche das Leben mehr als sie. Ich glaube, sie ist müde. Fast so müde wie wir.«
    »Das mag sein, aber wir bleiben auf der Hut.« Stella sah zur Decke, an der einst ein großer Gasleuchter gehangen hatte. »Wir gehen wieder nach unten.« Stella stand auf und half Hayley auf die Füߟe. »Du hast getan, was du konntest. Wir haben alle getan, was wir konnten.«
    »Das scheint aber nicht genug gewesen zu sein. Es war ein grausamer Tod. Es ging nicht schnell, und sie hat gesehen, wie das Kindermädchen mit dem Baby hinausgerannt ist. Sie hat die Arme nach ihm ausgestreckt, selbst dann noch, als sie stranguliert wurde.«
    »Das ist keine Mutterliebe, egal, was sie gedacht hat«, sagte Roz.
    »Nein, das ist es nicht. Das war es nicht. Aber es war alles, was sie hatte.« Hayley fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, weil sie plötzlich so durstig war. »Sie hat ihn verflucht Reginald. Sie hat alle Harpers verflucht. Sie ... sie hat sich gezwungen, hier zu bleiben. Aber sie ist müde. Ein Teil von ihr, der Teil, der Wiegenlieder singt, ist so müde und verloren.« Sie seufzte, doch als sie Harper sah, der auf dem Treppenabsatz hin und her lief, fing sie an zu lächeln. »Wir haben alle so viel mehr als sie. Uns geht-ŸŸs gut.« Sie ging zu ihm. »Wir haben, glaube ich, nicht bekommen, was wir wollten, aber es geht uns gut.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich habe sie sterben sehen, und ich habe sie im Dunkeln gespürt. Es war furchtbar. Dunkel und kalt. Und sie so allein.« Sie lehnte sich an ihn und lieߟ sich von ihm nach unten führen. »Ich weiߟ nicht, was mit ihr passiert ist, was sie mit ihr gemacht haben. Sie ist nach unten geschwebt, in die Dunkelheit und Kälte.«
    »Hat man sie begraben?«
    »Ich weiߟ es nicht. Es war eher ... als würde sie in der Dunkelheit davonschweben, irgendwohin, wo sie weder sehen noch hören konnte und nicht mehr herausgefunden hat.« Unbewusst rieb sie sich den Hals und dachte daran, wie das Seil auf ihrer Haut gebrannt hatte. »Vielleicht war es ja so eine Art Todeserfahrung - du weiߟt schon, das Gegenteil des Lichttunnels.«
    »Sie hat geschwebt?« Harper starrte sie an.
    »Kann es sein, dass sie versunken ist?«
    »Ja ... ich glaub schon.«
    »Der Teich«, sagte er. »Wir sind nie auf die Idee gekommen, dass es der Teich sein könnte.«
    »Das ist doch Wahnsinn.« Hayley stand im schwachen Licht der Morgendämmerung am Ufer des Teichs. »Es könnte Stunden dauern, wenn nicht noch länger. Er sollte das nicht allein tun. Wir könnten jemanden holen - Feuerwehr, Rettungsdienst, was weiߟ ich.« Roz legte ihr einen Arm um die Schultern. »Er will das selbst tun. Er muss das selbst tun.«
    Sie sah zu, wie Harper Flossen anzog. »Jetzt müssen wir zurückstehen und die Sache ihnen überlassen.«
    Der Teich sah so dunkel und tief aus, während Nebelschwaden über ihn hinwegzogen. Die Wasserlilien, der Rohrkolben und das Grün der Irisse, die sie immer so reizvoll gefunden hatte, kamen ihr jetzt fremd und bedrohlich vor. Doch dann dachte sie daran, wie er auf dem Treppenabsatz hin und her gelaufen war, während sie nach oben ins Kinderzimmer gegangen war. »Er hat mir vertraut«, sagte Hayley leise. »Und jetzt muss ich ihm vertrauen.« Mitch ging neben Harper in die Hocke und reichte ihm eine Unterwasserlampe. »Hast du alles?«
    »Ja. Ist schon eine ganze Weile her, seit ich das letzte Mal mit Geräten getaucht bin.« Er atmete tief ein und aus, um seine Lungen zu erweitern. »Aber das ist so wie beim Sex - wenn man es einmal kann, vergisst man es nicht mehr.«
    »Ich könnte ein paar Studenten
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