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Rote Lilien

Rote Lilien

Titel: Rote Lilien
Autoren: Nora Roberts
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musste jetzt zu ihm, sie musste zu James gehen, damit sie für immer zusammen sein konnten. Sie verlieߟ den Ballsaal. Wo wohl das Kinderzimmer war? Im anderen Flügel natürlich. Natürlich. Kinder und die Bediensteten, die sich um sie kümmerten, gehörten nicht in die Nähe von prächtigen Ballsälen und eleganten Salons. Oh, wie gut es hier roch. Das Haus ihres Sohnes. Und jetzt auch das ihre. Der Teppich unter ihren Füߟen fühlte sich so weich wie Pelz an. Und selbst so spät noch brannten die Gaslampen auf kleiner Flamme, obwohl doch schon alle in ihren Betten lagen. Es wurden keine Kosten gescheut, dachte sie. Hier wurde das Geld verbrannt. Oh, sie könnte sie alle verbrennen.
    An der Treppe blieb sie stehen. Sie schliefen sicher dort unten, der Lump und seine Hure. Schliefen den Schlaf der Reichen und Privilegierten. Sie könnte jetzt nach unten gehen und sie töten. Sie in Stücke hacken und in ihrem Blut baden. Müߟig fuhr sie mit dem Daumen über die gekrümmte Klinge der Sichel, bis ein roter Streifen auf ihrer Haut erschien. Würde ihr Blut blau sein? Das Blut der Harpers. Sie hätte gern gesehen, wie es aus ihren weiߟen Kehlen spritzte und auf den Bettlaken eine blaue Lache bildete. Doch das hätte vielleicht jemand gehört. Ein Bediensteter. Der sie aufhielt, bevor sie ihre Pflicht getan hatte. Leise. Sie tippte sich mit dem Finger auf die Wange und unterdrückte ein Lachen. So leise wie eine Maus. So leise wie ein Geist. Sie ging in den anderen Flügel und öffnete sachte Türen, wenn diese geschlossen waren. Warf einen Blick hinein. Als ihre zitternde Hand nach dem Knauf der nächsten Tür griff, wusste sie es. Es war ihr Mutterherz, das zu ihr sprach, dachte sie. Sie wusste, dass James in diesem Raum schlief. Ein schwaches Licht brannte, und in seinem flackernden Schein konnte sie die Regale mit Spielzeug und Büchern sehen, den Schaukelstuhl, die kleinen Kommoden. Und da, das Kinderbett. Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie zu dem Bett ging. Dort lag schlafend ihr kleiner Sohn, das dunkle Haar frisch gewaschen und süߟ duftend, die Wangen rosig glänzend. Nie hatte es ein schöneres Baby gegeben als ihren James. So hübsch, so allerliebst in seinem Bettchen. Er musste geschaukelt und in den Schlaf gesungen werden. Ein Wiegenlied für ihren Sohn.
    Sie hatte seine Decke vergessen! Wie hatte sie nur seine Decke vergessen können. Jetzt würde sie nehmen müssen, was ein anderer für ihn gekauft hatte, wenn es Zeit war, ihn mitzunehmen. Zärtlich strich sie ihm mit den Fingern über das weiche Haar und sang sein Wiegenlied. »Wir werden immer zusammen sein, James. Nichts wird uns je voneinander trennen können.« Sie setzte sich auf den Boden und machte sich an die Arbeit. Mit der Sichel hackte sie durch das Seil. Es war nicht leicht, eine Schlinge zu formen, doch sie fand, dass sie es recht gut machte. Gut genug.
    Sie legte die Sichel zur Seite und trug einen Stuhl unter die Deckenlampe.
    Während sie das Seil an die Arme des Leuchters band, sang sie leise vor sich hin. Mit einem kräftigen Ruck an dem Seil vergewisserte sie sich, dass es hielt. Sie holte das Gris-Gris aus dem Beutel, den sie sich an einem Band um den Hals gehängt hatte. Sie hatte die Zauberformel auswendig gelernt, die die Voodoo-Priesterin ihr verkauft hatte, doch jetzt kamen ihr die Worte nur stockend über die Lippen, während sie das Gris-Gris in einem Kreis um den Stuhl streute. Mit der Sichel schlitzte sie sich den Handballen auf. Und lieߟ das Blut aus ihrer Hand auf das Gris-Gris tropfen, um den Zauber zu binden. Ihr Blut. Amelia Ellen Connor. Das gleiche Blut, das auch in den Adern ihres Kindes floss. Das Blut einer Mutter, ein starkes Zaubermittel. Ihre Hände zitterten, doch sie sang weiter, als sie zum Bett ging. Zum ersten Mal, seit sie ihn geboren hatte, nahm sie ihr Kind in den Arm. Beschmierte seine Decke und seine rosige Wange mit ihrem Blut.
    So warm, so süߟ! Vor Freude weinend drückte sie ihr Kind an ihr feuchtes schmutziges Gewand. Als es zusammenzuckte und zu wimmern begann, hielt sie es nur noch fester. Sch, mein Liebling. Mama ist jetzt hier. Mama wird dich nie wieder allein lassen. Sein Kopf bewegte sich, sein kleiner Mund machte ein saugendes Geräusch, als würde er nach einer Brustwarze suchen. Doch als sie mit einem freudigen Seufzer den Stoff ihres Nachthemds unter ihre Brust schob und ihn dort an sich drücken wollte, wich er zurück und stieߟ einen Schrei aus. Sch.
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