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Rosskur: Ein Allgäu-Krimi

Rosskur: Ein Allgäu-Krimi

Titel: Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
Autoren: Jürgen Seibold
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Tablett herein, stellte Tassen, Milch, Zucker, Kekse und eine Kanne auf den Besprechungstisch.
    »Das ist Rosemarie Schwegelin, meine engste Mitarbeiterin«, sagte Huthmacher. »Sie macht mir sozusagen das Vorzimmer.«
    Die Frau hob eine Augenbraue, während sie ihnen Kaffee einschenkte.
    »Aber natürlich …«, fügte er rasch hinzu, »… natürlich ist sie keine Sekretärin, sondern hat viele andere Aufgaben. Sie werden häufig mit ihr zu tun haben, Hansen, und wenn Sie irgendetwas brauchen, wenden Sie sich einfach an die Rosie, ich meine, an Frau Schwegelin, ja?«
    Sie gab Hansen die Hand, wirkte aber etwas reserviert. Mit einer gemurmelten Entschuldigung zog sie sich zurück und schloss die Tür hinter sich.
    Dass die Stimmung in der Kriminalpolizeiinspektion Kempten nicht die beste war, überraschte Hansen nicht. Bei Nesselwang war kürzlich ein junges Paar am Waldrand regelrecht hingemetzelt worden, und obwohl die »Soko Nesselwang« sofort ihre Arbeit aufgenommen hatte, obwohl der erfahrene Kommissar Rolf Hamann und sein Team Tag und Nacht ermittelten, obwohl sie mehreren vielversprechenden Spuren folgten, konnten sie nicht verhindern, dass zwei weitere Pärchen dem Mörder zum Opfer fielen. Als der Täter sich schließlich selbst richtete, kam heraus, dass ihm die Soko gleich nach dem ersten Doppelmord kurzzeitig auf den Fersen gewesen war – doch diese Spur war eine von Hunderten gewesen, eine sehr unplausibel wirkende obendrein, und hatte es nicht in die Vorauswahl jener Hinweise geschafft, die von der Soko vorrangig untersucht wurden.
    Hansen kannte so etwas nur zu gut. Das war weder zu vermeiden, noch stellte es einen wirklichen Fehler der Ermittler dar. Eine Leiche in der Nachbarschaft verleitete viele Menschen dazu, der Polizei Hinweise aller Art zu geben – von denen viele völlig nutzlos waren und manche sogar erfunden von einsamen Menschen, die sich endlich auch einmal wichtig fühlen wollten.
    Doch die Presse machte Druck, einige Boulevardblätter schoben die Verantwortung für den zweiten und dritten Doppelmord mit knalligen Schlagzeilen allein der Kemptener Kripo zu – und irgendwann kam aus München der entscheidende Anruf. Polizeipräsident Stiller verteidigte seine Leute nach Kräften, konnte aber letztlich nicht verhindern, dass Rolf Hamann, bis dahin Leiter des Kommissariats 1, in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde.
    Seine neue Stelle verdankte Hansen im Grunde der Tatsache, dass nach der Aufregung über die Doppelmorde als Nachfolger ein externer Bewerber gesucht wurde, der nicht in der Soko Nesselwang mitgearbeitet hatte. Und viel externer als mit einem Niedersachsen ging es kaum.
    Das alles wusste Hansen bereits, trotzdem erzählte Huthmacher es ihm noch einmal, und er erzählte sehr ausführlich, um Hansen halbwegs schonend auf die Atmosphäre in seinem neuen Team vorzubereiten.
    »Deshalb, Herr Hansen, schaun S’ bitte, dass Sie die Leut zu nehmen wissen.«
    Zum Abschied drückte er ihm noch einmal die Hand, dann war Eike Hansen allein in seinem Büro. Eine Weile stand er am Fenster und genoss den Ausblick. Dann setzte er sich wieder, besah sich die Ausrüstung seines Schreibtischs, machte ein paar Notizen, was er in den nächsten Tagen unbedingt noch besorgen musste, und sah schließlich auf die Uhr: Mehr als eine halbe Stunde war vergangen.
    Hansen seufzte, stand auf und machte sich auf den Weg zum Besprechungszimmer.

Dienstag, 4. Juni
    »Tut mir leid, Pröbstl, aber heut kann ich dir keinen spendieren. Meine Susanne hat mir selbst kaum was mitgegeben.«
    Polizeihauptmeister Freddy Kerricht lachte so dröhnend, dass sich zwei Gäste zu ihm umdrehten. Entschuldigend hob er die Hand und lehnte sich grinsend zurück.
    »Arschloch«, brummte Pröbstl und schob sich neben Kerricht auf die Eckbank. Außer den beiden saß so früh am Abend noch niemand am Stammtisch des Lechstüberls.
    Pröbstl sah sich kurz um, bevor er seine Stimme senkte und dem Polizisten zuraunte: »Am Sonntag hab ich beobachtet, wie zwei Männer beim Ruff in den Pferdestall eingebrochen sind.«
    Kerricht nahm einen tiefen Schluck, stellte den Humpen wieder ab, wischte sich den Mund ab und starrte Pröbstl nachdenklich an.
    »Aha. Und das erzählst du mir heute, zwei Tage später?«
    »Ich … ich war mir nicht sicher, ob ich es mir vielleicht nur … eingebildet hab.«
    »Genau das kann ich mir auch gut vorstellen, Pröbstl.«
    Kerricht machte eine Bewegung, als würde er aus einer Flasche trinken.
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