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Rosenherz-berbKopie

Titel: Rosenherz-berbKopie
Autoren: Unbekannt
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stets darauf achtete, sie rechtzeitig zu beenden. Den
Zeitpunkt, sich eine Frau zu nehmen und eine Familie zu gründen,
würde er sich weder vom Zufall noch von irgendwelchen Konventionen
diktieren lassen.
    Über
seinem Schreibtisch hing ein Foto von John F. Kennedy.
    Wie
jeden Donnerstag hatte Terry Köhler auch heute zeitig Feierabend
gemacht, um im Fernsehen die alten Kurzfilme mit Stan Laurel und
Oliver Hardy sehen zu können, anschließend seine tägliche
Gymnastik zu treiben, zu duschen und hinterher noch ein paar Akten zu
bearbeiten. Umso ärgerlicher reagierte er, als ausgerechnet jetzt
das Telefon läutete.
    Am
anderen Ende meldete sich Kriminaldirektor Gerling. Der Staatsanwalt
und er kannten sich seit einigen Jahren, waren nicht nur dienstlich
miteinander verbunden, sondern traten auch als Tennisspieler im ITC
Eschersheim einmal pro Woche gegeneinander an.
    «Terry,
lass dein Essen stehen, schalt die Mattscheibe aus und sieh zu, dass
du so schnell wie möglich herkommst. Die Niebergall ist umgebracht
worden. Wir müssen ...»
    «Du
meinst die Niebergall?»
    «Ja.
Hier sieht es aus wie in einem Schlachthaus. Wahrscheinlich ist
sie in ihrem Himmelbett erstochen worden. Wir müssen sofort einen
Plan aushecken; in Kürze wird es hier von Reportern nur so wimmeln.
Du weißt, was jetzt auf uns zukommt.»
    Terry
Köhler lächelte. Sein Ärger war mit einem Schlag verflogen. Er
wusste, was jetzt vor allem auf ihn selbst zukommen würde. Und
es erfüllte ihn mit Genugtuung. Genau darauf hatte er gewartet: auf
seinen ersten wirklich spektakulären Fall.
    Er
würde noch mehr arbeiten müssen als jetzt schon. Er würde
fotografiert werden und Interviews geben. Und seine Karriere würde,
wenn alles gut lief, einen deutlichen Schub bekommen. Der Mord an
Rosemarie Nitribitt war neun Jahre her, aber allen Mitarbeitern
bei Polizei und Justiz noch gut in Erinnerung. Und die Presse würde
jetzt dafür sorgen, dass der Öffentlichkeit jedes Detail wieder ins
Gedächtnis gerufen würde. Auch wenn es im Fall Nitribitt nie zu
einer Verurteilung gekommen war, auch wenn man den
Hauptverdächtigen hatte laufenlassen müssen - der Tod Rosemarie
Nitribitts war zu einer Legende geworden, von der alle, die damals
mit dem Fall befasst waren, noch immer zehrten. Die Ermordung Karin
Niebergalls hatte das Zeug, ein zweiter Fall Nitribitt zu werden. Ein
Fall, der, wenn man keinen entscheidenden Fehler machte, einen
Staatsanwalt bis an das Ende seiner Laufbahn und darüber hinaus
begleiten würde. Und er hatte Glück, dass Urlaubszeit war, sich
viele seiner Kollegen noch in den Ferien befanden und er, Terry
Köhler, zur rechten Zeit am rechten Ort war.
    Er
war Karin Niebergall nie begegnet, wusste aber um den Ruf, den sie
bei Eingeweihten genoss. Und er würde dafür sorgen, dass nun, da
sie tot war, dieser Ruf ins Unermessliche wuchs. In Kürze würde
es niemanden geben, der ihren Namen nicht kannte. Alles hing davon
ab, wie geschickt er die Ermittlungen lenkte. Und davon, dass
der Fall nicht allzu schnell gelöst würde. Wenn der Tater nur nicht
ein tölpelhafter Freier war, der sie aufgrund eines Streits getötet
hatte und sich zwei Tage später erwischen ließ. Wenn es nur nicht,
wie bei 95 Prozent aller Tötungsdelikte, eine langweilige
Beziehungstat war. Je größer das Rätsel, umso mehr würde die
Neugier der Öffentlichkeit angeheizt. Je dunkler die Tat, desto
heller würde er im Licht stehen. Er sah die Schlagzeilen bereits vor
sich: «Tod im Himmelbett: das traurige Ende von Deutschlands
raffiniertestem Freudenmädchen. Exklusivinterview mit
Staatsanwalt Traugott Köhler».
    Die
Meute der Reporter würde es sich nicht nehmen lassen, Karin
Niebergalls Leben und Sterben vor den Lesern auszubreiten. Man würde
ihre Familie und ihre Freunde aufspüren, man würde Fotos
veröffentlichen und über mögliche Motive und Tater spekulieren.
Und Terry Köhler würde dafür sorgen, dass sein Name jedes Mal
genannt wurde. Er war es, der Informationen weitergeben oder
zurückhalten konnte. Er war es, der die hungrigen Mäuler stopfte
oder sie noch gieriger nach der Beute schnappen ließ.

    Als
der Staatsanwalt kurz nach neunzehn Uhr am Tatort eintraf, glich
das alte Bürgerhaus in der Kirchnerstraße 2 einem Bienenstock. Man
hatte den Eingang abgesperrt. Kein Unbefugter durfte das Haus
betreten. Dennoch wimmelte es von Männern - manche in Uniform, die
meisten in Zivil -, die treppauf, treppab liefen und den Unmut Terry
Köhlers
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