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Rote Gruetze mit Schuss

Rote Gruetze mit Schuss

Titel: Rote Gruetze mit Schuss
Autoren: Krischan Koch
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    »Wenn du ’ne Linie ziehst zwischen Amsterdam und Kopenhagen, dann liegt Fredenbüll genau auf der Mitte«, sagt Klaas, der in Fredenbüll die Post austrägt. »Jo, is so.«
    Er demonstriert das immer wieder gern anhand eines Bierglases zwischen zwei Jägermeisterfläschchen an einem der beiden Stehtische in dem Fredenbüller Imbiss »De Hidde Kist«.
    »Genau genommen zwischen Reusenbüll und Neutönninger Siel«, wendet Piet Paulsen ein, Landmaschinenvertreter im Ruhestand.
    Aber das spielt eigentlich keine Rolle, denn für die Fredenbüller ist es der Mittelpunkt der Welt. Der Ort hat drei Deiche, hundertsechsundsiebzig Einwohner, einschließlich einer echten Adelsfamilie, aber ohne die drei Wochenendhäuser, und sechshundert Schafe, hauptsächlich Bio. Es ist alles da, was man braucht: Edeka mit Lotto/Toto, Filiale vom Bäcker Hansen aus Husum, »Salon Alexandra« und natürlich »De Hidde Kist«, wo Wirtin Antje »Internationale Spezialitäten« serviert, vom »Halben Brötchen mit herzhaftem Landmett« über Sauerfleisch in Gelee bis zum »Putenschaschlik Hawaii«. Neuerdings gibt es auch Croque.
    »Wird aber noch nich so angenommen«, klagt Antje. »Alle woll’n immer nur meine Rote Grütze mit Schuss.«
    Für einen Kammermusikabend auf dem Gut der von Rissens musste Antje kürzlich sogar siebzig Portionen ihrer Roten Grütze anliefern.
    »Könnt ich mich reinsetzen, in Antje ihre Rode Grütt«, sagt Klaas.
    »Jo, is mal wat anderes«, findet auch Piet Paulsen.
    Fredenbüll hat auch eine Polizeistation. Noch. Und Polizeiobermeister Thies Detlefsen will, dass das so bleibt. Die kleine Wache neben der Freiwilligen Feuerwehr in dem Backsteinbau ist nämlich vom Kieler Rotstift bedroht.
    »Ich hab dat Schreiben mal dabei. Hier, Briefkopf, direkt vom Innenminister in Kiel.«
    »Na, wat will er denn?«, fragt Klaas. »Antje, machst für Thies erst mal ’n Bier.«
    »Hier«, Thies Detlefsen liest langsam vor, »im Zuge einer Weiterentwicklung der Sicherheitsstrukturen im ländlichen Bereich ist eine Zentralisierung regionaler Polizeiposten geplant.«
    »Dat hört sich irgendwie nich gut an«, findet auch Antje und zieht energisch den Frittierkorb mit einer Portion Pommes aus dem heißen Fett.
    »Dabei hatten sie mir letztes Jahr sogar ’n neues Dienstfahrzeug in Aussicht gestellt.«
    »Erst ham sie Klaas sein Postamt plattgemacht und jetzt ... Dat is ’ne Sauerei.« Landmaschinenvertreter a. D. Piet Paulsen zieht die Lederweste, die er das ganze Jahr trägt, stramm, nimmt zwei leere Flachmänner von Stehtisch zwei und stellt sie zu Antje auf den Glastresen.
    »Dabei is die Wache mit einem Mann kaum zu schaffen.« Thies setzt seinen Kuhblick auf.
    Thies Detlefsen sieht eigentlich gut aus in seiner knapp sitzenden Polizeiuniform. Er ist ein Kerl von einem Mann. Kantiger Kopf, kantiges Kinn, kurzgeschnittenes blondes Haar mit hochgegeltem kleinem Struppelspoiler vorne. Die Frisur mit dem Frontigel stammt aus dem »Salon Alexandra«. Aber wenn Thies nach ein paar Bieren nachdenklich wird, bekommt er diesen leichten Kuhblick.
    »Na ja, Thies, bist bei der Arbeit auch manchmal ’n büschen übergenau«, sagt Klaas.
    »Wat denn, ich hab mein Schreibtisch so hoch mit Akten liegen.« Detlefsen hebt die Hand in Höhe des Bügelverschlusses seiner Bierflasche. »Alles ungelöst.«
    »Ja, ja, Thies, neulich dat tote Schaf. Wie war das? Anschlag militanter Ökoaktivisten? Hör auf!«
    »Moment, nee, nee, dat war die internationale Futtermittelmafia. Aber ohne Soko hast du dagegen keine Chance.«
    »Komm, Thies, nu chill erst mal ’n büschen runter.«
    Chillen, das ist das Neuste, was Antje draufhat. Bei Antje ist sowieso alles gerade im Umbruch. Seit der letzten WM hängt gegenüber der Dunstabzugshaube ein 46-Zoll-Flachbildschirm, sehr zur Freude der drei bis vier männlichen Stammkunden, die die meiste Zeit des Jahres bei Antje verbringen. Champions League, Euro League, Pokal, Bundesliga sowieso und zwischendurch immer mal ein kühles Getränk. Aber dann gibt es auch noch eine neue Speisekarte und neue Beleuchtung. Antje hat auf Energiesparröhren umgerüstet.»Machen irgendwie ungemütliches Licht«, findet Klaas. Und jetzt will Antje die »Hidde Kist« umbenennen – in »Croque Lagune«. Neue Leuchtschilder sollen angeblich schon bestellt sein. Damit will sie an die Durchreisenden nach Sylt, Föhr und Amrum ran. »Nur mit Schaschlik kann ich denen nich mehr kommen.«
    Nicht nur Antje, auch ihr Hund,
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