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Rosenfolter

Rosenfolter

Titel: Rosenfolter
Autoren: Friederike Schmöe
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schiefe Nase, das fisselige, graue
Haar.
    »Wie ist das passiert?«
Sie deutete auf den Gips.
    »Ich habe alles
zu Protokoll gegeben«, flüsterte Linda Roose. Sie stemmte sich mit Hilfe ihres gesunden
Armes ein Stück in sitzende Position.
    »Jemand war im
Haus. Jemand hat mich gestoßen. Von hinten, die Treppe runter. Ich habe mich abgestützt.
Dabei hat es ›Kracks‹ gemacht.«
    »Jemand hat Sie
die Treppe runtergestoßen?«
    »Sie denken doch
nicht wie alle, oder? Sie denken doch nicht, die Alte hat nicht mehr alle Tassen
im Schrank, wie? Sie nicht, oder, Frau Palfy?«
    Katinka sah sich
hastig um. Niemand war hier, bis auf die andere Frau in ihrem Bett, die leise schnarchte.
Katinka sah ihre Lippen flattern.
    »Was ist mit Ihrer
Nachbarin los?«
    »Gebrochene Schulter.
Auch gestürzt. Alle sagen, wir Alten, wir fallen andauernd hin. Dann brechen wir
uns die dünnen Knochen. Die splittern mir nichts, dir nichts in unseren Körpern.«
    »Es kommt eben
häufig vor«, gab Katinka zu bedenken.
    »Ich war nie ein
stämmiger Typ, Frau Palfy. Aber ich bin noch nie eine Treppe runtergefallen. Man
stolpert mal, aber dann fängt man sich.«
    Sie redet, als
würde sie einem Erstklässler erklären, was ein Purzelbaum ist, amüsierte sich Katinka.
    »Ich war oben im Schlafzimmer. Ich wollte mich fertigmachen, war mit einer
Freundin verabredet. Nur zum Kaffeetrinken in der Stadt. Ich ziehe mich um, als
ich einen Luftzug spüre. Im oberen Stock habe ich alle Fenster gekippt. Ist ja schönes
Wetter. Ich gehe durch die Räume, gucke, ob alles in Ordnung ist. Schließlich will
ich das Haus für ein paar Stunden verlassen. Und dabei habe ich ein dummes Gefühl
– als wenn mich jemand beobachtet. Als wenn«, Linda Roose beugte sich vor, »jemand
im Zimmer wäre. Lachen Sie nicht!«
    »Ich lache nicht.«
    »Sie grinsen.«
    »Nicht die Bohne. Erzählen Sie weiter!«
    »Ich kann nichts Seltsames sehen. Da ist nur dieses Gefühl. Aber ich bin
spät dran und will meine Freundin nicht warten lassen. Also nehme ich meine Tasche,
meine schöne Ausgehtasche, und mache mich auf den Weg. Und als ich meine Hand auf
das Geländer lege und die erste Stufe runtergehen will, stößt mich jemand. Ich spürte
zwei Hände. Auf den Schultern. Alles ging rasend schnell. Ich hielt mich zuerst
am Handlauf fest, aber dann kam die Treppe auf mich zu, alles wirbelte, drehte sich,
ich spürte einen stechenden Schmerz im Handgelenk. Das war’s.«
    Erschöpft lehnte
Linda Roose sich zurück.
    »Schlafen Sie erst
mal«, schlug Katinka vor. »Wie heißt denn Ihre Freundin?«
    »Emma. Emma Theiss.«
    »Ich melde mich.«
    Katinka steuerte
das Treppenhaus an. Das ist ein Zeichen. Ich soll das Haus nicht bekommen. Nicht
so schnell jedenfalls.
     
     
    5
     
    Katinka traf Emma Theiss in einem
Coffeeshop in der Au-straße. Emma war das ganze Gegenteil ihrer Freundin. Vollschlank,
stattlich, robust und außerordentlich energisch. Das Haar blond gefärbt, schick
geschnitten. Schwere Ohrringe, ein witziger Modeschmuck im Dekolleté.
    »Ach – Privatdetektivin
sind Sie? Ich dachte, Sie wären Lindas Anwältin!«
    »Braucht sie eine
Anwältin?«
    »Braucht sie eine
Privatdetektivin?«
    Sie lachten beide.
    »Ich möchte das
Haus in der Concordiastraße kaufen«, sagte Katinka.
    »Tun Sie sich das
bloß nicht an. Das Ding ist ein Rattenloch. Der Kasten hat nie was anderes als Ärger
gemacht. Die Mieter ein wüstes Gesindel, koksen, kiffen, dealen.«
    »Das muss aber
schon eine ganze Weile her sein.« Katinka hatte natürlich Erkundigungen eingezogen.
Darin war sie berufsbedingt nicht schlecht. Von wüstem Gesindel war zumindest gegenwärtig
nicht die Rede.
    »Sie machen ja
sowieso, was Sie sich in den Kopf gesetzt haben. Warum wollten Sie sich mit mir
treffen?«
    »Wegen Frau Rooses
Unfall.«
    »Unfall! Darf ich
lachen? Jemand hat sie gestoßen!«
    »Das sagte sie
mir. Was ist Ihre Meinung?«
    Emma Theiss lehnte
sich zurück. »Sie gefallen mir. Fürs Rumfackeln haben Sie nicht viel übrig, wie?«
    »Nicht direkt.«
    »Natürlich hat
Linda sich das nicht eingebildet. Sie ist begütert, finanziell steht sie prima da,
sie hat ihre Schafe im Trockenen. Sie ist 85 Jahre alt, und man kann sich ausrechnen,
dass sie es noch maximal zehn Jahre schafft. Zähes Luder, das sie ist. Für zehn
Jahre hat sie genug Geld. Sie kann Reisen machen, sich in ein Luxusaltenheim einsperren
lassen und was weiß ich. Wenn sie jetzt den Erlös aus dem Hausverkauf dazurechnet
… so viel kann sie
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