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Rosenfolter

Rosenfolter

Titel: Rosenfolter
Autoren: Friederike Schmöe
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übrig. Man könnte auf Reisen gehen. Einfach so.
    Sie stiegen in
den Wagen. Der Kroate versprach, die Safereste zu entsorgen.

3.4.2012 – Dienstag
     
    1
     
    Semmler hatte schon eine Menge seltsamer
Dinge bei seinen Rundgängen gefunden. Mausefallen, die angeblich niemand aufgestellt
haben wollte, einen schlappen Fußball, auf dem South Africa 2010 stand, aufgeweichte
Brötchen und – zum Brüllen – einen Vibrator.
    Harri Semmler nahm
seinen Job ernst und das bedeutete, er nahm Sicherheit ernst. Seit gut 13 Jahren
war er bei der Security-Firma angestellt. Er galt als höchst zuverlässig. In seinen
Berufsjahren war er mit renitenten GIs zusammengestoßen, hatte betrunkene Mountainbike-Fahrer
vom Asphalt gepflückt und war zweimal von Bewaffneten bedroht worden. Das eine Mal
kam ihm ein Kollege zu Hilfe, der den Angreifer anschoss, das zweite Mal war Semmler
mehrere Stunden in einem Geldtransporter eingesperrt, bis die Polizei ihn rausholte.
    Was er am Morgen
des 3. April fand, fügte seinen reichhaltigen beruflichen Erfahrungen eine neue
Dimension hinzu. Er fand ein Ohr.
    Ein menschliches
Ohr.
    Semmler ging in
die Hocke und betrachtete das Objekt interessiert. Noch verrückter aber war die
Unterlage des Ohres: ein Rosenkissen. Rote Rosen, starke, spitzblättrige Knospen,
die in einem Schwamm steckten. Als Umrandung geflochtene Weidenzweige. Das Kissen
war quadratisch. Es lag dezent neben dem Brunnen. Er nahm sein Maßband aus der Tasche
und checkte die Zentimeter. 20 mal 20. Und darauf ein menschliches Ohr. Ein linkes
Ohr.
    Niemand war in
der Nähe.
    Er befand sich
im Historischen Garten, ganz in der Nähe des Eingangs auf das Landesgartenschaugelände.
Des zukünftigen Eingangs. Noch war die Schau nicht eröffnet.
    Semmler kam ächzend
wieder hoch und zückte sein Handy. Während er Bescheid gab, sah er sich wachsam
um. Die langgezogene Inselspitze, auf der die Gartenausstellung abgehalten wurde,
wirkte so unfertig wie vor Wochen: Überall lag Werkzeug herum. Pflanzkübel standen
da, große, plastikverschweißte Quader mit Erde, Paletten voller Sämlingskästen.
Grün und Braun im Wechsel. In drei Wochen war Eröffnung.
    Semmler hatte zwar
beileibe keinen grünen Daumen, aber ihm war auch so klar, dass ein Ohr auf einem
Rosenkissen auf der ERBA-Insel nichts zu suchen hatte. Das Ohr sah schrumpelig und
bläulich aus im Morgenlicht. Oben auf der Ohrmuschel wuchsen dicke, schwarze Haare.
    Das fand Semmler
jetzt doch ein bisschen unappetitlich. Gähnend fragte er sich, wann er eigentlich
das letzte Mal einer Frau Rosen geschenkt hatte. Ohne Ohr, natürlich.
     
     
    2
     
    Der Kroate hatte den Typen beobachtet,
der seinen Kram in der Mülltonne auf dem Hof versenkt hatte. Der Knabe musste ein
ziemlicher Dämlack sein. Wer schmiss denn den Inhalt eines Safes, den er vor Stunden
aus einer fremden Wand gestemmt hatte, einfach in den Müll!
    Der Kroate machte
sich nichts aus den Aufzeichnungen anderer Leute, aber er nahm Papiere und Box aus
der Tonne, stopfte alles in eine Aldi-Tüte und warf das Zeug mitsamt den Überresten
des Safes auf seinen Pick-up. Er fuhr ständig Schrott in der Gegend herum, an den
Anblick war man gewöhnt. Er schleuderte noch ein paar krumme Bleche auf die Ladefläche,
schnappte sich seine Thermoskanne und schwang sich hinter das Lenkrad. Er hatte
seine Sache gut gemacht, seinen Anteil kassiert, und wenn er öfter so einen Auftrag
bekam – gesetzt den Fall, seine Künste sprachen sich an den entscheidenden Stellen
herum – würde er … würde er … während er am Schloss Weißenstein vorbeifuhr, ging
ihm durch den Kopf, dass er eigentlich wunschlos glücklich war.

14.4.2012 – Samstag
     
    3
     
    Es gab zu viele Dinge, die schräg
liefen, fand Privatdetektivin Katinka Palfy. Sie saß vor dem Café am Kranen und
trank einen Latte Macchiato. Der April hatte sonnig und vielversprechend begonnen.
Daran konnten auch der Finger und die Hand nichts ändern, die fünf beziehungsweise
zehn Tage nach dem Ohrfund auf der ERBA-Insel entdeckt wurden. Den Finger fand ein
Arbeiter, der eine Reparatur am Geländer des Aussichtsstegs ausführen musste. Der
Steg ragte als Plattform Richtung Hafen übers Wasser und war einer der Diskussionsgegenstände
gewesen, die während der Grabenkämpfe rund um die Landesgartenschau für verbale
Attacken gut gewesen waren. Der Arbeiter erbrach sich in den Kanal. Die Hand wurde
von einem Fünfzehnjährigen aufgespürt, der die Herausforderung annahm, noch
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